15. Oktober 2024
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Der Wert des Wirtschaftswachstums – Bachelorarbeit

Welchen Wert hat eigentlich Wirtschaftswachstum für eine Gesellschaft? Nicht wenige Menschen sind vor allem heutzutage angesichts der Klimakrise und des bereits sehr hohen Wohlstandes in den Industrienationen sehr skeptisch gegenüber der Vorstellung, Wirtschaftswachstum könnte immer etwas Positives für eine Gesellschaft sein. Doch dieses Wachstumskepsis ist tatsächlich nichts Neues: Philosophen und Ökonomen sind seit Jahrhunderten gegenüber dem Wachstum und seinen Möglichkeiten eher skeptisch eingestellt. Doch woran liegt das, und gibt es normative und moralische Gründe, warum eine Gesellschaft stets am Wachstum als einem politischen Ziel festhalten sollte? Diesen Fragen bin ich in meiner Bachelorarbeit mit dem Titel Die normative Bedeutung von ökonomischem Wachstum auf den Grund gegangen, die ich im August erfolgreich mit der Note 1,0 verteidigt habe. Da sie an Themen anknüpft, die ich auch anderer Stelle auf meinem Blog diskutiere, habe ich mich entschlossen sie hier zu veröffentlichen. Ich wünschen viel Spaß beim Lesen und bin auf die Diskussionen gespannt!

Da die Arbeit sehr lang geworden ist (fast 20.000 Wörter / 43 Seiten), könnt ihr sie über den folgenden Button als .pdf herunterladen. Ansonsten einfach weiterscrollen und auf der Webseite lesen:

Arbeit als PDF

 


1.    Einleitung

Wenn in der Praktischen Philosophie Wirtschaftswachstum überhaupt diskutiert wird, so geschieht dies meistens aus einer Position der Skepsis oder Ablehnung gegenüber dessen möglichem normativen Wert. John Rawls zum Beispiel, dessen A Theory of Justice das am häufigsten zitierte Werk in der Stanford Encyclopedia of Philosophy ist (vgl. Schwitzgebel 2020), und der als einer der einflussreichsten Politischen Philosophen gilt, schenkt in seinen Theorien Wirtschaftswachstum wenig Beachtung. In seinem gesamten Werk finden sich nur wenige Sätze zu der Thematik und sie lassen sich damit zusammenfassen, dass er sich der bereits 1848 von John Mill popularisierten Wachstumsskepsis anschließt.  Demnach bräuchte laut Rawls eine gerechte Gesellschaft Wirtschaftswachstum nicht und die Idee, dass „economic growth [is] to go on indefinitely, upwards and onwards“ sei abzulehnen (vgl. Rawls 2000, S. 107). In den vergangenen Jahren, insbesondere unter dem Eindruck der Klimakrise, hat diese Skepsis gegenüber ökonomischem Wachstum im akademischen Diskurs noch mehr an Popularität gewonnen (vgl. Rose 2020, S.2).

Dieses Sentiment aus weitestgehendem Desinteresse an der Natur des Wachstums und der damit einhergehenden Negation eines möglichen normativen Wertes ist ein seit zwei Jahrhunderten prävalentes, aber selten explizit diskutiertes Paradigma des Stationary States der Politischen Philosophie und Politischen Ökonomie.

Das Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, dass dieses Paradigma falsch ist und dass Wirtschaftswachstum bei normativen Überlegungen eine größere Aufmerksamkeit zukommen sollte, als es bisher in der Praktischen Philosophie der Fall ist. Des Weiteren soll ausgearbeitet werden, warum Wirtschaftswachstum essenziell ist, um gewisse normativ wünschenswerte Zustände zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Ergo es soll aufgezeigt werden, dass aus normativen Gründen bei einer konsequentialistischen Betrachtung das Vorhandensein von Wachstum in einer Gesellschaft im Allgemeinen etwas Erstrebenswertes ist.

Dazu wird zuerst in Abschnitt 2 basierend auf aktuellen Theorien aus den Wirtschaftswissenschaften ausgearbeitet, was ökonomisches Wachstum eigentlich ist und aus welchen Prozessen es sich zusammensetzt. In Abschnitt 3 wird das in der Politischen Philosophie einflussreiche Stationary State Paradigma ausgearbeitet. Abschnitt 4 behandelt kurz das Thema der Grenzen von Wachstum. In Abschnitt 5 werden dann die Argumente für den normativen Wert von Wachstum ausgeführt. Abschnitt 6 widmet sich der Diskussion von möglichen Einschränkungen und Implikationen der aus der diesen Argumenten hervorgehenden Schlussfolgerungen.

2.    Was Wachstum ist

Wachstum ist ein empirisches Phänomen. Daher muss vor einer normativen Diskussion geklärt werden, wobei es sich bei Wachstum konkret handelt. Viele populäre Vorurteile und Irrtümer über Wachstum, die auch dem Stationary-State-Paradigma zugrunde liegen, haben ihren Ursprung in veralteten Theorien darüber, was Wachstum ist und wie es funktioniert. Insbesondere neoklassische Wachstumstheorien, die bis in die 1980er Jahre die Makroökonomie dominierten und maßgeblich das philosophische Denken bis heute formen, haben eine Prädisposition in ihren Prognosen zu statischen Zuständen zu konvergieren. Dies liegt unter anderem daran, dass sie – z.B. durch Innovation herbeigeführte – Veränderungen von Parametern nicht angemessen integrieren können (vgl. Muzhani 2014, S.476). Als Reaktion auf die empirischen und theoretischen Defizite des neoklassischen Modells entstanden ab den 1980ern sogenannte Endogene Wachstumstheorien, welche heute die dominierenden Wachstumstheorien in den Wirtschaftswissenschaften sind. Endogene Wachstumstheorien begreifen Wachstum als einen Prozess innerhalb eines Wirtschaftssystems, der vor allem von der Akkumulation von Forschung und Wissen auf der Ebene von Industrien und Unternehmen ausgeht (vgl. Muzhani 2014, S.325). Im Gegensatz zu dem neoklassischen Modell – welches als den Haupttreiber des Wachstums die Akkumulation von Kapital identifiziert, das eine abnehmende Grenzproduktivität aufweist – konvergieren diese Modelle in der Regel nicht zu statischen Zuständen hin (vgl. Muzhani 2014, S. 326).

Um besser Phänomene wie die empirisch festgestellte Entkoppelung des Wachstums von Emissionen in den Industrienationen (vgl. Ritchie 2021) erklären zu können, hat sich seit den 1990ern die sogenannte zweite Generation der Endogenen Wachstumstheorien im Mainstream der Wachstumsforschung etabliert (vgl. Muzhani 2014, S. 463). Zu dieser gehören neoschumpetersche Theorien, die das Konzept der Kreativen Zerstörung des Ökonomen Joseph Schumpeter in die Endogenen Wachstumstheorie integrieren (vgl. Muzhani 2014, S. 463). Diese aktuellen neoschumpeterschen Wachstumstheorien, insbesondere in ihrer Ausarbeitung durch Philipe Aghion, dienen als paradigmatische Grundlage für das Verständnis von Wachstum in dieser Arbeit. Davon ausgehend wird zuerst im Folgenden eine allgemeine Einführung in die Wachstumstheorie geleistet, damit in den daran anschließenden Abschnitten für Prämissen auf diese rekurriert werden kann.

2.1 Wachstum als Steigerung des BIP

Weit gefasst ist ökonomisches Wachstum definiert als ein allgemeiner Anstieg der Wirtschaftstätigkeit, der mit einer dauerhaften Zunahme des Wertes der produzierten und konsumierten Güter- und Dienstleistungen einhergeht (vgl. Muzhani 2014, S.3).

Wenn in der Ökonomie, politischen Debatten oder in den alltäglichen Nachrichten über Wachstum diskutiert wird, bewegen sich diese Diskussionen vor allem um eine Maßzahl und deren Veränderung: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Insbesondere von politischen Institutionen und in der Finanzwelt wird das BIP verwendet, um einen Eindruck über die Entwicklungen der Gesamtwirtschaft zu bekommen. Es wird deshalb es von den meisten Staaten regelmäßig errechnet – in Deutschland zum Beispiel alle drei Monate durch das Statistische Bundesamt (vgl. Mankiw 2021, S.670).

Das BIP wird dabei in der Regel definiert als „der Marktwert aller für den Endverbrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem bestimmten Zeitabschnitt hergestellt werden“ (vgl. Mankiw 2021, S.667). Errechnet wird es meistens durch die Addition von Konsum, Investitionen, den Nettoexporten sowie den Staatsausgaben abzüglich der Transferleistungen (vgl. Mankiw 2021, S.672). Um das tatsächliche Wirtschaftswachstum genauer zu erfassen, wird daraus das reale (also inflationsbereinigte) BIP pro Kopf errechnet, um unbeeinflusst von demographischen oder monetären Verzerrungen das reale Wirtschaftswachstum zu messen.

Das globale reale BIP pro Kopf ist ein hilfreiches Werkzeug, um das ökonomische Wachstum der Menschheit empirisch und quantitativ auszuwerten. In der Regel wird Wachstum einfach als eine Steigerung des realen BIP bzw. realen BIP pro Kopf definiert. Dieser Definition von Wachstum schließt sich diese Arbeit bei empirischen Diskussionen an – allerdings nicht uneingeschränkt, da das BIP als aggregierter Wert lediglich eine Approximation darstellt. Eine reine Fokussierung allein auf das BIP ist daher ungenügend für eine detaillierte normative Diskussion oder politische Zielsetzung.

Das Ziel dieser Arbeit ist schließlich die Analyse und Ausarbeitung des normativen Werts von ökonomischem Wachstum im Allgemeinen. Ergo am Ende soll aufgezeigt werden, dass das Vorhandensein von Wirtschaftswachstum in einer Gesellschaft im Prinzip etwas Erstrebenswertes ist – ähnlich wie oft das Vorhandsein von Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie prinzipiell in einer Gesellschaft als etwas Erstrebenswertes betrachtet wird. Allerdings handelt es sich beim Vorhandensein von Wachstum – ähnlich wie beim Vorhandsein von Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit – um einen komplexen Zustand. Dieser tritt in verschiedenen Formen auf, weshalb die alleinige Feststellung des Vorhandseins ungenügend für ein normatives Urteil ist, da es auch auf die konkrete Form ankommt. Deshalb wird auch diese Arbeit später im Diskussionsabschnitt 6 auf differenziertere Analysen zurückgreifen müssen, die über eine reine Betrachtung des BIP hinausgehen.

Dies liegt zum einem darin begründet, dass das BIP nicht die Qualität des Wachstums einfängt. Es kann damit nicht differenzieren, auf welche Art Wachstum zustande gekommen ist oder wie es sich in der Gesellschaft verteilt – zum Beispiel ist eine Steigerung des BIP durch die exzessive Nutzung der natürlichen Ressourcen, Erhöhungen der Arbeitszeiten oder eine Kriegsproduktion qualitativ und normativ anders zu bewerten als ein Wachstum durch den Ausbau erneuerbarer Energien. Ebenso ermöglicht das BIP pro Kopf als Durchschnittswert eines Aggregats keine Aussagen darüber, wie die ökonomische Produktivität und ihr Output in der Gesellschaft verteilt sind, und erfasst auch nicht die unbezahlte Arbeit – wobei gerade diese Aspekte wesentlich für normative Diskussionen sein können.

Des Weiteren stellt das BIP beziehungsweise dessen Veränderung nicht das vollständige Phänomen des Wachstums an sich dar, sondern lediglich die quantitative messbare Wertsteigerung des gesamtwirtschaftlichen Outputs, die mit Wachstum einhergeht. Um zu verstehen, welche Bedeutung Wachstum prinzipiell für die gesamte Gesellschaft hat – und damit auch für Theoriebildung in der Politischen Philosophie – reicht es demnach nicht Wachstum lediglich als eine Steigerung einer Zahl, und auch nicht als eine bloße Steigerung der produzierten Menge an ökonomischen Wert zu begreifen. Diese einfache Vorstellung, dass Wachstum einfach nur ein Mehr an Dienstleistungen und Waren bedeutet, ist eine so irreführende wie leider populäre, und wahrscheinlich einer der Gründe, warum Wachstum in der Philosophie verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt wird und warum endloses Wachstum oft als widersinnig betrachtet wird. Um Wachstum und seine normative Bedeutung zu verstehen, muss man es als einen mehrteiligen Prozess der gesamtgesellschaftlichen Transformation begreifen – der zwar am Ende zu der gemessenen Steigerung der Produktivität und damit des Wertes des ökonomischen Outputs führt, allerdings deutlich mehr als das umfasst.

2.2 Die Inputs des Wachstums[1]

Wirtschaftswachstum als von dem BIP gemessener Output ist äquivalent zu einer Steigerung der ökonomischen Produktivkraft, die sich wiederum aus mehreren Inputs ergibt, die damit als die Variablen des Wachstums fungieren. Diese Inputs werden seit der neoklassischen Theorie mit der Produktionsfunktion beschrieben (vgl. Mankiw 2021, S.710):

Ökonomischer Output: Y = A x F(L,K,H,N)
Dabei entsprechen in dieser Funktion die Variablen (vgl. Mankiw 2021, S.710):
A = verfügbare Produktionstechnologie
F = Funktion zur Verrechnung der Inputs
L = Produktionsfaktor Arbeit
K = Produktionsfaktor Realkapital
H = Produktionsfaktor Humankapital
N = Produktionsfaktor natürliche Ressourcen

Eine Steigerung des ökonomischen Outputs erfolgt auf einer abstrahierten Ebene durch die Erhöhung dieser Faktoren, wobei die verfügbare Produktionstechnologie A als Multiplikator fungiert. Dies hat in Folge den Effekt, dass fortlaufendes Wirtschaftswachstum auch zum Teil mit dem Absinken von Faktoren einhergeht, da sie deren Intensität ersetzt. So lässt sich beobachten, dass insbesondere in den Industrienationen im Zug der stetigen Verbesserung der Produktionstechnologien A und der stetigen Akkumulation des Realkapitals K sowie einer Steigerung des Humankapitals H durch verbesserte Bildung, die aufgewandte Arbeit L und zum Teil auch die Menge der natürlichen Ressourcen N zurückgehen. So betrug zum Beispiel die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in den 1860ern in Deutschland rund 78 Stunden (vgl. Meinert 2013), während sie heute mit 34,7 Stunden bei weniger als der Hälfte liegt (Statistisches Bundesamt 2022). In der Zeit stieg zugleich das BIP pro Kopf in Deutschland von circa 2.600$ auf rund 47.000$ (Maddison Project Database 2020).

Ein weiterer relevanter Faktor für den ökonomischen Output, der selbst jedoch nicht direkt einen Input darstellt, ist der Aspekt des Marktwertes, denn die Größe des ökonomischen Outputs bemisst sich an dessen Marktwert. Ergo trägt ein – unter Umständen hochwertigeres – Produkt mit einem entsprechend höheren Marktwert mehr zum Wachstum bei als mehrere billigere Produkte der gleichen Kategorie. Eine Wirtschaft, die anfängt qualitativ hochwertigere, weil zum Beispiel nachhaltigere oder robustere, Produkte zu produzieren und konsumieren, hat einen höheren ökonomischen Output als eine Gesellschaft, die quantitativ die gleiche Menge an Produkten mit allerdings niedrigerem Wert produziert und konsumiert. So zum Beispiel ist mittlerweile die Volksrepublik China quantitativ die größte Exporteurin von Automobilen weltweit – befindet sich jedoch im globalen Ländervergleich nur auf dem 12ten Platz was den Umsatz und damit den ökonomischen Wert ihrer Automobilexporte angeht, da diese zum Großteil aus günstigen Fahrzeugmodellen für Entwicklungsländer bestehen. (vgl. Schasfoort 2023). Des Weiteren führen Produktivitätssteigerungen im produzierenden Sektor durch Wettbewerbsdruck ebenfalls zu einem Anstieg des monetären Werts der Arbeit im Dienstleistungssektor, sodass diese6 auch ohne Effizienzsteigerung mehr zum ökonomischen Output beiträgt (vgl. Aghion et al. 2023, S.160).

2.3 Das neoschumpetersche Paradigma des Wachstums

Die Art und Weise wie die einzelnen Komponenten der Produktion miteinander den Prozess des Wirtschaftswachstums formen ist wesentlich, um Wirtschaftswachstum als gesamtgesellschaftliche Transformation mit starken normativen Implikationen zu begreifen. Die große Erweiterung der Endogenen Wachstumstheorien gegenüber dem neoklassischen Modell ist, dass sie Technologie und Wissen in Form von Humankapital nicht als externe, unerklärte Faktoren begreifen, sondern diese Faktoren endogenisieren: Die Diffusion von Technologie und Wissen ist etwas, was aus dem Wirtschaftssystem selbst heraus entsteht. Das Streben nach wirtschaftlicher Expansion in Form von Profit und Wachstum ist es, welches für die einzelnen Akteure Anreize setzt, um in Forschung, Entwicklung und Bildung zu investieren. Das daraus resultierende Wachstum gibt den Menschen wiederum noch mehr Möglichkeiten zu forschen, zu lernen und zu entwickeln. Wachstum und die Akkumulation von Wissen befinden sich in einer sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkung. Diese Wechselwirkung im sozialen und institutionellen Kontext macht die im Folgenden ausgeführten drei Kernideen des von Philippe Aghion entwickelten neoschumpeterschen Paradigmas aus:

  1. Innovation und Diffusion von Wissen sind die Haupttreiber von Wirtschaftswachstum. Langfristiges Wirtschaftswachstum ist das Ergebnis von sich akkumulierenden Innovationen, die aufeinander aufbauen, und die dadurch ermöglicht werden, dass Wissen in einer Gesellschaft kodifiziert und verbreitet wird (vgl. Aghion 2023, S.4). Eine der Hauptursachen für das exponentielle Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahrhunderte ist die sich seit der Aufklärung etablierende allgemeine Zugänglichkeit von Wissen. Noch bis in die frühe Neuzeit hielten Institutionen wie Gilden technisches Wissen geheim und der Zugang zu theoretischem Wissen war vor allem kleinen Zirkeln des Klerus und Adels vorbehalten. Die Abschaffung solcher Barrieren im Zuge der Aufklärung ab dem Ende des 18. Jahrhunderts ermöglichte es, dass immer mehr Menschen basierend auf den Erkenntnissen anderer ihr Humankapital aufbauen und Innovationen entwickeln konnten. Statt jedes Mal Grundlagen neu zu erforschen können Unternehmer und Wissenschaftler auf den Erkenntnissen ihrer Vorgänger aufbauen, sodass Innovationen exponentiell akkumuliert werden (vgl. Aghion 2023, S.34).
  2. Innovation hängt von Anreizen ab, und ist damit ein sozialer Prozess, der von institutionellen Rahmenbedingungen ermöglicht wird (vgl. ebd. S.4). Zu diesen gehören vor allem Eigentumsrecht z.B. in Form von Patenten, die Anreize für Erfindungen schaffen und deren Verbreitung fördern (vgl. ebd. S.36) – aber auch inklusive politische Institutionen und Bildungseinrichtungen, die Forschungsfreiheit und soziale Mobilität fördern und es Individuen überhaupt erst ermöglichen an Bildung, Forschung und Entwicklung zu partizipieren. (vgl. ebd. S.206). Demokratien bieten, durch ihre inklusiven Institutionen, daher auch empirisch die besten Bedingungen für Innovation und Wachstum (vgl. ebd. 292).
  3. Kreative Zerstörung. Kreative Zerstörung ist der Prozess, in welchem neue Innovationen bestehende Technologien obsolet machen; neue Firmen, neue Industrien und neue Geschäftsmodelle die Bestehenden vom Markt drängen, und bestehende Arbeitsplätze vernichtet und durch neue Aktivitäten und Jobs ersetzt werden. Kreative Zerstörung ist die treibende Kraft des Kapitalismus, die seine ständige Reproduktion und Erneuerung sicherstellt, und dabei Wachstum hervorbringt (vgl. ebd. S. 1). Sie erzeugt jedoch auch Konflikte im Herzen des Wachstumsprozesses – sowohl zwischen den bestehenden Unternehmen, die ihre Position gegen den Wettbewerb mit dem Neuen zu verteidigen versuchen (vgl. ebd. S.5), als auch soziale Konflikte, da Kreative Zerstörung stets mit der Freisetzung von Arbeitskräften und Kapital einhergeht, also auch mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen, die nicht immer restlos durch neue für die Betroffenen ersetzt werden (vgl. ebd. S.15).

3.     Das Stationary State Paradigma

In den vergangenen zwei Jahrhunderten hat die Menschheit ein beispielloses, exponentielles Wirtschaftswachstum erlebt. Das globale BIP pro Kopf stieg zwischen 1800 und 2018 von 1.102$ auf 15.212$ (Maddison Project Database 2020). Die positiven Effekte des durch dieses Wachstum erreichten Wohlstandes – wie z.B. die Steigerung der Lebenserwartung, die Reduktion von Armut und Kindersterblichkeit – werden selten angezweifelt. Allerdings wurde und wird das Wachstum selbst in seinen Möglichkeiten und seinem Wert oft stark angezweifelt. Ökonomen und Philosophen vertreten oft, meist implizit, eine Haltung, die als Stationary State Paradigma bezeichnet werden kann.

Dieses Paradigma lässt auf zwei Aussagen herunterbrechen:

1)  Weiteres oder gar unendliches Wachstum ist unmöglich.

2) Weiteres oder gar unendliches Wachstum ist normativ nicht wünschenswert. Das normative Ziel sollte statt Wachstum das Erreichen eines Stationary States sein, also einer stagnierenden Wirtschaft, die ein gewisses Wohlstandsniveau erhält, in der aber kein ökonomisches Wachstum existiert.

Begrifflich abzugrenzen vom Stationary State Paradigma ist das Steady State Paradigma, welches von dem Ökonomen Herman Daly entwickelt und vertreten wurde. Dieses liegt vor allem der einflussreichen ökologischen Wachstumskritik und damit verbundenen Konzepten wie Degrowth zugrunde. Dalys Steady State Paradigma kann als eine der einflussreicheren Variationen des Stationary State Paradigma aufgefasst werden, da es auf den gleichen kanonischen Ursprung bei Malthus und Mill verweist und die gleichen Kernideen vertritt, allerdings erweiterte es diese um mehrere ökologische und thermodynamische Prämissen, und argumentiert stärker aus einer neomalthusianischen und anti-anthropozentrischen Perspektive heraus (vgl. Daly 2012, S. 14 – 24).

Diese Arbeit fokussiert sich auf dem deutlich breiteren und in der Politischen Philosophie prävalenteren Stationary State Paradigma und auf die damit einhergehenden Fragen nach der Bedeutung von Wachstum insbesondere im Kontext der Gesellschaft und Institutionen, also aus einer klassischen anthropozentrischen Perspektive. Ökologische Argumente sollen dabei, auch wenn sie heute eine signifikante Rolle im Diskurs um den normativen Wert von Wachstum spielen, nur am Rande diskutiert werden – zum einem, weil sie nicht so zentral für das hier diskutierte Paradigma sind, und zum anderen, weil eine ausführliche Auseinandersetzung mit der ökologischen Wachstumskritik sich bereits in meiner Arbeit Klimakrise, Degrowth und die Grenzen des Wachstums: Warum wir mehr und nicht weniger Wachstum brauchen finden lässt (siehe: Skrobisz 2022).

Im Weiteren soll das Stationary State Paradigma in seinen Ursprüngen, seinen Prämissen und seiner Prävalenz, insbesondere in der Politischen Philosophie, ausgearbeitet werden, bevor in den folgenden Abschnitten die Argumente gegen dieses Paradigma aufgezeigt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf der zweiten Aussage, da diese im Gegensatz zur ersten nicht nur deskriptiver, sondern auch normativer Natur ist und deutlich einflussreicher im Diskurs.

3.1 Die Ursprünge der ersten Idee

Die Idee, dass eine perfekte Gesellschaft eine sich ökonomisch nicht verändernde, also stagnierende oder statische wäre, findet sich in ihren Grundzügen bereits in den Anfängen der Politischen Philosophie. Das Konzept des perfekten Staates, welches von Platon in „Der Staat“ präsentiert wird, kennt keine Veränderung durch disruptive Technologien oder ökonomisches Wachstum. Es soll zudem vom Philosophenkönig nach der Erkenntnis des Guten ausgerichtet werden, welches ein ewiges Sein ist und damit „nicht dem Wandel durch Werden und Vergehen unterliegt“ (vgl. Platon 485b). Die einzig mögliche Veränderung, die Platon dem perfekten Staat zugesteht – und womit er die Fortschritts-Skepsis des Stationary State Paradigmas etwas vorwegnimmt – ist der Zerfall, da „alles, was entsteht, auch zugrunde geht“ (vgl. Platon 546a).

Seinen Beginn nimmt das Paradigma als solches mit dem Anfang der Politischen Ökonomie, nämlich bei Adam Smith. In seinem 1776 erschienenen An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations artikuliert dieser die erste Prämisse von der Unmöglichkeit des endlosen Wachstums. Smith postuliert, dass ein Land unweigerlich einen stationary state erreicht, wenn es alle Reichtümer erwirtschaftet, die ihm durch dessen Klima, Ressourcen und Handelsbeziehungen möglich sind, was dazu führe, dass der Grenznutzen und damit die Rendite von investiertem Kapital sich gegen Null entwickeln würden (vgl. Smith 2007, S. 78). Er spekuliert zudem, dass die Niederlande seiner Zeit bzw. die province of Holland sich diesem Zustand näherte (vgl. Smith 2007, S.79). Allerdings sieht Smith das Erreichen dieses Zustandes nicht als etwas normativ wünschenswertes an, da „while the society is advancing to the further acquisition, rather than when it has acquired its full complement of riches, […] the condition […] of the great body of the people, seems to be the happiest and the most comfortable. It is hard in the stationary, and miserable in the declining state. The progressive state is in reality the cheerful and the hearty state to all the different orders of the society. The stationary is dull; the declining, melancholy“ (Smith 2007, S.68).

Dies begründete Smith damit, dass wenn die Erträge in Form von Profiten in einer Wirtschaft fallen, auch die Löhne der Arbeiter durch den steigenden Wettbewerbsdruck zwischen den Unternehmen sinken. Die breite Bevölkerung im stationären Zustand verelendet dadurch langfristig. Diese Vorstellung, dass abnehmende Grenznutzen des investierten Kapitals zu einem Ende des Wirtschaftswachstums und in der Folge zu einer Prekarisierung der Arbeiterschicht führen würde, war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sehr einflussreich in der Ökonomie. Sie formte auch nachhaltig die Politische Philosophie. Sie dient als Grundlage für John Stuart Mills utilitaristischen Überlegungen zur Politischen Ökonomie und schließlich seinen normativen Betrachtungen zum Stationary State (vgl. Mill 2009, S. 598). In leicht abgewandelter Form, als das marxsche Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, ist sie zudem eine der zentralen Prämissen des Marxismus (vgl. Marx 2004, S. 209).

Maßgebend für die Popularisierung der ersten Idee des Stationary State Paradigmas war neben Smith vor allem Thomas Malthus. Dieser argumentiert in seinem 1798 erschienen Essay On the Principle of Population, dass der Output einer Wirtschaft wesentlich aus der Kombination von Arbeit und Land entsteht, wobei jede weitere Arbeitskraft nur einen absinkenden Grenznutzen zur Steigerung der Produktivität beiträgt (vgl. Malthus 1998, S.6). Dies führt in Malthus‘ Modell durch die begrenzte Verfügbarkeit von Ackerland zu einem Kreislauf, in welchem auf Bevölkerungswachstum stets eine sinkende Produktivität pro Kopf folgt, bis die Bevölkerung durch Krisen wie Hungersnöte wieder auf ein Subsistenzlevel dezimiert wird.

In Malthus‘ Modell ist der einzige Weg zu einem relativen Wachstum pro Kopf daher die Reduktion der Bevölkerung, aber dem absoluten Wachstum sind harte Limits gesetzt (vgl. Aghion 2023, S.30).

Malthus Theorien haben sich empirisch nicht halten können. Er bedachte nämlich nicht, dass jeder weitere Mensch nicht nur eine uniforme Arbeitskraft und Senke für Ressourcen ist. Er übersah die Möglichkeiten technischen Fortschrittes und dass mehr Menschen auch potentiell mehr Quellen von Intelligenz und Wissen sind, welche zu sich akkumulierenden Innovationen beitragen, die wiederum die Entkoppelung der produzierten Kalorien von der verfügbaren Fläche ermöglichen. So hat sich zum Beispiel allein in den letzten sechzig Jahren der Ertrag von Weizen pro Hektar Ackerfläche im globalen Durchschnitt von rund einer Tonne auf über drei Tonnen verdreifacht (vgl. Ritchie et al. 2022).

In den 1960er und 1970er Jahren erlangten dennoch neomalthusianische Theorien, die kataklystische Hungersnöte und Kriege prognostizierten, sollte die Weltbevölkerung weiterwachsen, erneut einen großen akademischen und politischen Einfluss. In der Folge wurden insbesondere in Entwicklungsländern Millionen von Menschen oft unter Zwang sterilisiert – die globale Bevölkerung verdoppelt sich dennoch seitdem und Hungersnöte sind seltener geworden (vgl. Mann 2018). Obwohl die Prognosen der neomalthusianischen Denker, wie zum Beispiel Paul Ehrlich oder Herman Daly, sich empirisch ebenso wenig wie die von Malthus halten konnten, sind deren Argumentationsmuster heute weiterhin weit verbreitet und bilden oft implizit die Ausgangslage für Stationary State Argumente.

Dies liegt vermutlich vor allem in zwei Phänomenen begründet:

1) Menschen haben allgemein große Schwierigkeiten exponentielles Wachstum mathematisch zu begreifen und intuitiv dessen Entwicklung vorherzusagen – ein Phänomen, welches in der Psychologie als Exponential Growth Bias bekannt ist. Es ist selbst bei gebildeten Menschen, die sich dieses Biases bewusst sind, sehr stark ausgeprägt (vgl. Schonger & Sele 2021). Exponentielle Steigerungen durch akkumulative Prozesse, sei es durch Zinseszins, technologische Entwicklungen, Wissensdiffusion, Bevölkerungswachstum et cetera, sind für uns Menschen nur schwer begreifbar – sie sind es allerdings, die wirtschaftliches Wachstum vorantreiben.

2) Die Menschheit erlebte in ihrer Geschichte immer wieder Phasen von weitestgehender technologischer und ökonomischer Stagnation. Diese Phasen waren dann auch tatsächlich von solchen Oszillationen zwischen Bevölkerungswachstum und dezimierenden Krisen gekennzeichnet, wie sie Thomas Malthus beschreibt – so sind für den Zeitraum zwischen 1200 und 1800 mehrere solcher Phasen mittlerweile empirisch belegt (vgl. McAfee 2020, S.11). Aufgrund des langsamen technologischen Fortschritts und der langsamen Verbreitung von Wissen in feudalen Gesellschaften, wuchs das globale BIP pro Kopf zwischen 1000 und 1820 mit einer verschwindend geringen Rate von 0,05% pro Jahr (vgl. Aghion 2023, S.21) bis es dann ab 1820 zu einer Phase relativ konstanten, signifikanten globalen Wachstums kam, in der wir uns noch immer befinden. Allgemein wuchs das globale BIP pro Kopf in den letzten zweihundert Jahren kumulativ um rund 1.300% (Maddison Project Database 2020). In einer spürbar ökonomisch wachsenden Welt zu leben ist also für die Menschheit ein relativ neues Phänomen. Es ist daher anzunehmen, dass sich die den Großteil der Menschheitsgeschichte dominierende Erfahrung in einer weitestgehend wachstumslosen Welt zu existieren, zumindest kulturell, ins kollektive Gedächtnis eingegraben hat und zusammen mit der Tendenz zum linearen Denken, zu einer eher pessimistischen Perspektive auf die Möglichkeiten des Wachstums verleitet.

Die zweite Idee des Stationary State Paradigmas, wonach ein Ende des ökonomischen Wachstums normativ erstrebenswert sei, wird von Malthus in ihrer Kontur implizit vorweggenommen. Nämlich dann, wenn er argumentierte, dass man das Bevölkerungswachstum eindämmen müsste, um den Lebensstandard der Menschheit zu erhalten – ergo bei Malthus ist weiteres Wachstum, wenn auch auf die Bevölkerung bezogen, normativ nicht wünschenswert, da die Annäherung an dessen natürliche Limits zu Massenverelendung, Pandemien und Hungersnöten führt. Das gleiche Argumentationsmuster findet sich, bezogen auf das Wachstum der wirtschaftlichen Aktivität, bei vielen Vertretern des Steady State Paradigmas, die aus einer neomalthusianischen Position postulieren, dass ein ökonomisches Wachstum durch die Knappheit von Ressourcen langfristig nicht möglich sei und damit der Versuch weiter zu wachsen langfristig zu der Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlage führe (vgl. z.B. Schmelzer und Vetter 2021, S.19; vgl. Daly 2012, S.11).

Die konkrete, darüberhinausgehende zweite Idee, dass ein Ende des ökonomischen Wachstums jedoch nicht nur aufgrund von natürlichen Limits und damit zur Abwendung der Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage normativ wünschenswert sei, wurde vor allem von Denkern nach Malthus etabliert.

3.2 Die Ursprünge der zweiten Idee

Die generelle Vorstellung, dass das Streben nach einem höheren Wohlstandsniveau nicht erstrebenswert und aus moralischen Gründen abzulehnen sei, findet sich bereits stark ausgeprägt im frühen Christentum, welches den Wert des diesseitigen Lebens zugunsten eines Heilsversprechens im Jenseits negiert. So wird im Neuen Testament gemahnt: „Häuft keine Schätze auf der Erde an. […] Häuft euch vielmehr Schätze im Himmel an.“ (Lutherbibel 2017, Mt 6, 19 – 20) Sowohl die frühen Christen als auch die christlichen Philosophen der Scholastik, wie Augustinus von Hippo, sahen das Streben nach materiellen Besitztümern als etwas Sündiges und glorifizierten die Askese. Sie beschäftigten sich mit der Ökonomie nur insofern, indem sie diese auf ihre mögliche Passung in religiöse Prinzipien, und damit auf ihre Gerechtigkeit oder Sündhaftigkeit untersuchten (vgl. Friedman 2021, S. 51 – 53). Diese frühchristliche Perspektive, die der Akkumulation von materiellen Gütern und Finanzgeschäften etwas Anrüchiges zuschreibt, prägte und prägt langfristig das normative Denken in der europäischen Kultur. Ihr Echo klingt bei einigen Vertretern des Stationary State Paradigmas immer wieder durch, vor allem wenn sie mit nicht weiter begründeten Intuitionen argumentieren.

Das konkrete Konzept innerhalb der Philosophie, dass ein Stationary State generell normativ wünschenswert sei, wird allerdings zuerst von John Stuart Mill in seinem 1848 erschienen Buch Principles of Political Economy artikuliert und wirkmächtig popularisiert. Mill schließt sich darin der von Smith und Malthus etablierten Idee an, dass dem wirtschaftlichen Wachstum natürliche Limits gesetzt seien und die Menschheit zwangsläufig einen stationary state erreichen wird, in welchem Kapital und Bevölkerung stagnieren (und damit in heutiger Terminologie das BIP pro Kopf) – allerdings kritisiert Mill explizit die von Smith etablierte und damals noch prävalente Vorstellung, dass ein Ende des Wachstums etwas Schlechtes wäre (vgl. Mill 2009, S. 593) und leitet damit den Wandel zu einem Paradigma in der Politischen Philosophie ein, welches das Ende des Wachstums als etwas normativ wünschenswertes betrachtet, und welches bis heute besteht.

Mills Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Eine Kontrolle des Bevölkerungswachstums beziehungsweise eine Reduktion der Bevölkerung – wie sie Malthus bereits vorschlägt – ist laut Mill unabhängig vom Vorhandensein von Wachstum sowieso notwendig, um den Lebensstandard der Menschheit zu erhöhen (vgl. Mill 2009, S.593). Der Schrecken des stationary states bei Smith und Malthus besteht laut Mill vor allem darin, dass in ihm die Bevölkerungszahl über die verfügbare Menge an lebensnotwendigem Kapital hinauswächst und daher verelendet und sich selbst dezimiert. Laut Mill lässt sich allerdings dies durch eine sowieso normativ wünschenswerte Kontrolle beziehungsweise Reduktion der Bevölkerung verhindern, sodass dieser Schrecken für Mill seine Wirkung verliert (vgl. Mill 2009, S.593).
  1. Wirtschaftswachstum beziehungsweise eine Steigerung der Produktivität ist nur noch ein relevantes Thema für „the backward countries of the world“, während „in those most advanced“ (vgl. Mill 2004, S.593) – also den westeuropäischen Staaten der 1840er Jahre, die damals ein jährliches BIP pro Kopf von circa 2.500$ aufwiesen (Maddison Project Database 2020) – eigentlich alle Vorteile der wirtschaftlichen Aktivitäten beziehungsweise ein ausreichend hohes Wohlstandsniveau bereits erreicht wurde. Ein gewisses mehr an ökonomischem Wachstum wäre vielleicht noch möglich, aber Mill sieht aufgrund des bereits erreichten Wohlstandes „very little reason for desiring it“, da er davon ausgeht, dass ein mehr an absoluten Wohlstand die Menschen weder „better“ noch „happier“ machen würde (vgl. Mill 2004, S.594). Er äußert zudem auch eine Skepsis gegenüber dem technologischen Fortschritt: „Hithero it is questionable if all the mechanical inventions yet made have lightened the day’s toil of any human being.“ (Mill 2004, S.595)
  2. Es kommt in den fortschrittlichen Wirtschaften eigentlich nur noch auf „better distribution“ an, „of which one indispensable means is a stricter restraint on population“(vgl. Mill 2004, S.593). Statt uns auf mehr Wachstum zu fokussieren, sollten wir uns stattdessen mit der gerechten, möglichst egalitären Verteilung des bestehenden Wohlstandes beschäftigen. Solch eine gerechte und egalitäre Gesellschaft ist normativ wünschenswert.
  3. Der stationary state bildet eine bessere Ausgangsbasis für solch eine gerechte Gesellschaft. Wenn nämlich eine größere Akkumulation von Vermögen nicht möglich ist, konzentrieren sich die Menschen zwangsläufig mehr auf die Verteilungsfragen. Die gerechte Gesellschaft ist also „more naturally allied with that [stationary] state than with any other“ (vgl. Mill 2004, S.594). Entsprechend ist Wachstum laut Mill sogar ein Hindernis beim Erreichen einer gerechten Gesellschaft.

Vor allem die Argumente 2, 3 und 4, nach denen es bereits genug Wohlstand gibt und mehr Wachstum nicht wünschenswert sei, es nur noch darum geht eine gerechte Gesellschaft durch die richtige Verteilung zu formen und dass in einem Stationary State solch eine Verteilung leichter fallen würde, entfalteten eine große Wirkmacht in der Politischen Philosophie.

Nachdem die Ökonomie zum Ende des 19. und vor allem im Laufe des 20. Jahrhunderts sich als eine eigenständige Wissenschaft etablierte und sich damit zunehmend von ihren moralphilosophischen Wurzeln entfernte; entstand im akademischen Diskurs in Hinblick auf die Politische Ökonomie ein Zwei-Welten-Denken. Ethik und Ökonomik divergierten zu zwei unterschiedlichen, wenig miteinander interagierenden Sphären. Dies führte zum einem dazu, dass die Fachökonomie unkritisch wurde im Hinblick auf die normativen Grundlagen des Wirtschaftens. Anderseits aber auch dazu, dass sich in der praktischen Philosophie eine Tendenz zum Reflexionsstopp vor ökonomischen Kategorien etablierte (vgl. Ulrich 2008, S.66). Im Zuge dieser akademischen Spezialisierung und Funktionstrennung beschäftigten sich Philosophen im Allgemeinen immer weniger mit der konkreten Natur von ökonomischen Phänomenen wie Wachstum, seinen Limits und seinen Ursachen. Sie wandten sich stattdessen im Bereich der Politischen Philosophie stärker den Verteilungsfragen zu, während die von Mill etablierten Prämissen weitestgehend unkritisch und paradigmatisch übernommen wurden.

Wie Wohlstand entsteht, ob Wachstum notwendig ist und verwandte Frage, schienen keine dringenden Themen mehr zu sein, nachdem Mill das Primat der Verteilung vor der Wohlstandsvermehrung etablierte.

Dies wird vor allem deutlich, wenn man sich die einflussreichsten Werke der Politischen Philosophie des 20. und bisherigen 21. Jahrhunderts ansieht: Auch wenn John Rawls in seiner A Theory of Justice von 1971 eine alternative Gerechtigkeitstheorie zu dem von Mill vertretenen Utilitarismus entwirft, übernimmt er die von Mill etablierten Behauptungen bezüglich des Wachstums. Entsprechend thematisiert Rawls dieses quasi gar nicht in seinem Werk und verweist lediglich in Fußnoten darauf, dass er sich explizit Mills Position anschließt (vgl. Rawls 2000, S. 107). Rawls schließt sich auch Mills viertem Argument an und echoet das Sentiment der christlichen Scholastik, wonach ein Streben nach Wohlstand hinderlich beim Erreichen von Gerechtigkeit sei: „It is a mistake to believe that a just and good society must wait upon a high material standard […] To achieve this state of things great wealth is not necessary. In fact, beyond some point it is more likely to be a positive hindrance, a meaningless distraction at best if not a temptation to indulgence and emptiness.“ (Rawls 2005, S.290)

In Robert Nozicks 1974 – als Antwort auf Rawls – publizierten libertären Gegenentwurf Anarchy, State and Utopia findet sich nicht einmal ein einziges Wort über Wirtschaftswachstum. In dem Werk des kommunitaristischen Philosophen Michael J. Sandel wird Wirtschaftswachstum ebenfalls nicht thematisiert – weder in seinem 2009 erschienenen, verschiedene Gerechtigkeitstheorien diskutierenden Justice: What’s the Right Thing to Do?, noch in dem sich mit der moralischen Dimensionen der Marktwirtschaft auseinandersetzenden What Money Can’t Buy: The Moral Limits of Markets  von 2012. In dem 2022 erschienenen Democracy’s Discontent: A New Edition for Our Perilous Times identifiziert Sandel dann den politische Fokus aufs Wirtschaftswachstum als eine der Ursachen für die Vernachlässigung von bürgerlichen Werte und die politischen Spannungen in den USA (vgl. Sandel 2022, S.14, 17). Selbst Martha Nussbaum, die sich in ihrem Werk intensiv mit Entwicklungspolitik und globaler Gerechtigkeit auseinandersetzt, thematisiert Wirtschaftswachstum in ihrem Werk nur rudimentär und argumentiert, dass der Fokus nicht auf ihm liegen sollte, sondern den von ihr und Amartya Sen entwickelten Capabilites Approach folgend auf Gerechtigkeit, den Freiheiten und Befähigung der Menschen, ohne tiefer zu analysieren, wie diese mit Wirtschaftswachstum zusammenhängen (vgl. Nussbaum 2013, S. 51 & S.194). Auch wenn die drei letztgenannten Philosophen nicht explizit das Stationary State Paradigma vertreten und ihre Positionen mit einer Ablehnung dieses Paradigmas vereinbar sind, scheinen sie von diesem Paradigma zumindest beeinflusst das Wachstum als einen relevanten Faktor für ihre Theorien auszublenden. Dies führt zu Lücken und Irrtümern in ihren Theorien, da, wie spätere Abschnitte dieser Arbeit ausführen, die Prävalenz von bürgerlichen Werten, Freiheiten und demokratischen Institutionen in einem signifikanten Zusammenhang mit ökonomischem Wachstum steht.

War Wachstum noch für Adam Smith, der sich selbst als Moralphilosophen betrachtete, ein relevanter Faktor für normative Überlegungen, spielt es heute in der Politischen Philosophie, zumindest im Mainstream-Diskurs, keine signifikante Rolle mehr.

4.    Die Limits des Wachstums

Das Ziel dieser Arbeit ist es in erster Linie die normative Bedeutung von Wachstum auszuarbeiten und damit vor allem eine Kritik der zweiten Idee des Stationary State Paradigmas zu leisten, also der Vorstellung, dass Wachstum normativ nicht relevant oder nicht wünschenswert wäre. Jedoch muss an dieser Stelle – zumindest kurz – auch die erste Idee des Paradigmas angegangen werden, da die zweite Idee des Paradigmas zu einem gewissen Grad aus der ersten geboren ist.

4.1 Die Limits liegen zu weit in der Zukunft

Die weiterverbreitete Auffassung, dass beständiges Wachstum nicht möglich sei, stützt sich in der Regel auf eines von zwei Argumenten, die im Folgenden mit einer Refutation ausgeführt werden:

1) Grenznutzen-Argument. Diesem Argument nach unterliegen die Inputs des Wachstums – wie z.B. Arbeitskräfte oder Kapital – einem abnehmenden Grenznutzen. Ergo die Erhöhung des Inputs führt zu einer proportional immer geringeren Steigerung des Outputs, bis der Grenznutzen und damit die Steigerung Null erreichen. Dieses Argument hat seine Wurzeln in klassischen und neoklassischen Wachstumstheorien, die Bevölkerungswachstum, Ressourcenverbrauch und/oder Kapital-akkumulation als Haupttreiber des Wachstums identifizieren. Die aktuellen Endogenen Wachstumstheorien zeigen jedoch, dass durch die kumulativen Effekte von Wissen und Technologie auf die Produktivitätssteigerung die Grenznutzen der Produktionsfaktoren nicht abnehmen (vgl. Muzhani 2014, S.326). Von den aktuellen Wachstumstheorien ausgehend ist beständiges Wachstum daher möglich, solange die Menschheit weiter Wissen und Technologie akkumuliert. Dieser Prozess scheint sich zum aktuellen Stand in seiner exponentiellen Natur nicht zu verlangsamen – im Gegenteil, im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Robotik, ist in absehbarer Zeit eher von einer Intelligenzexplosion und damit einer enormen Erhöhung der Wachstumsraten auszugehen (vgl. Bostrom 2017, S.2).

2) Planetare-Limits-Argument. Dieses Argument postuliert, dass dem Wirtschaftswachstum Grenzen gesetzt sind durch die Limits der terrestrischen Ökosysteme Externalitäten von ökonomischer Aktivität wie Umweltzerstörung, Emissionen und Ressourcenverbrauch zu verkraften. Insbesondere die katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung durch industrielle Emissionen, haben in den letzten Jahrzehnten der Idee Vorschub geleistet, dass das Streben nach weiterem Wachstum letztendlich zur Zerstörung des Planeten und damit der Existenzgrundlage der Menschheit führen würde. Die Annahme, dass Wirtschaftswachstum die menschliche Lebensgrundlage zerstören würde und sich damit selbst eine Grenze setzen würde, ist vor allem die Prämisse, die sogenannten Postwachstums- oder Degrowth-Theorien zugrunde liegt (vgl. Schmelzer und Vetter 2021, S.19). Diese Annahmen basiert jedoch auf einem veralteten Wirtschaftsverständnis, in welchem Wirtschaftswachstum zwangsläufig mit einem höheren Durchsatz an Ressourcen und steigenden Emissionen einhergeht (vgl. Aghion 2023, S. 174) – für die aktuellen Wachstumstheorien ist jedoch die Akkumulation von Wissen zentral. Effekte wie eine zunehmende Dematerialisierung der Wirtschaft, bessere Einpreisungen von Externalitäten durch Regulierungen und Steigerungen der Recyclingquote führen zu dem empirisch bereits messbaren Effekt, dass Emissionen und Ressourcenverbrauch sich in den fortschrittlichsten Wirtschaften in den vergangenen Jahrzehnten vom Wachstum entkoppelt haben und aktuell sinken (vgl. Ritchie 2021).

Die Limits unseres Planeten im Hinblick auf Ressourcen und Ökosystem scheinen davon ausgehend kein ernsthaftes Hindernis für weiteres Wirtschaftswachstum darzustellen, da dieses auch mit einem sinkenden Ressourcenverbrauch und sinkenden Emissionen einhergehen kann und dies in vielen Ländern bereits tut. Zudem besitzen gerade die wohlhabendsten Gesellschaften über die besten Möglichkeiten, um Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Des Weiteren scheinen gegebenenfalls vorhandene planetare Limits, die für die absolute Größe der Wirtschaft relevant sind, höchstens mittelfristig von Bedeutung zu sein. Langfristig ist davon auszugehen, dass die Menschheit ihren Lebensraum auf andere Planeten ausweiten kann und wird (vgl. Beckstead 2014). Angesichts der Tatsache, dass unser Universum Schätzungen zufolge rund 1025 Planeten beherbergt (vgl. Siegel 2022) und die Menschheit selbst bei einer Expansion mit Lichtgeschwindigkeit Milliarden an Jahren bräuchte, um alle zu erreichen, geschweige denn wirtschaftlich zu verwerten – ist davon auszugehen, dass „the ultimate limits […] are probably tied to the energy output and computational capacity of the universe“ (vgl. Moller 2011, S. 182). Alle harten, physikalischen Limits von ökonomischem Wachstum innerhalb unseres Universums scheinen damit so unerreichbar für die Menschheit zum aktuellen Zeitpunkt, als wären sie nicht existent.

Zusammenfassend lässt sich argumentieren, dass zumindest ausgehend von den aktuellen Wachstumstheorien und dem noch vorhandenen Wachstumspotential für die Menschheit, ein hartes Limit für das ökonomische Wachstum nicht in absehbarer Zeit zu erkennen ist. Auch wenn es ein von den Rahmenbedingungen unseres Universums gesetztes Limit für absolutes ökonomisches Wachstum gibt, erscheint es unplausibel, dass die Menschheit dieses in absehbarer Zeit erreicht, wenn überhaupt, wodurch diese Limits für aktuelle Diskussionen weitestgehend irrelevant sind.

4.2 Optimistische Induktion und Wachstumswette

Ein weiterer Grund von keinen für aktuelle normative Diskussionen relevanten Limits für Wachstum auszugehen, ist der, dass die Geschichte der Ökonomie und Philosophie gespickt ist mit gescheiterten Vorhersagen bezüglich dieses Limits. Adam Smith, Thomas Malthus, John Stuart Mill, John Rawls, Karl Marx, John Keynes, Herman Daly und viele weitere einflussreiche Ökonomen und Philosophen, gingen davon aus sich bereits an dem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte zu befinden, an welchem die Limits des Wachstums erreicht seien oder bald erreicht sein würden. Um es an zwei Beispielen zu verdeutlichen – wobei sich solche Aussagen bei allen eben genannten Autoren finden lassen:

Adam Smith ging davon aus, dass die Niederlande seiner Zeit bereits nah an ihr maximales Wohlstandsniveau gewachsen wäre (vgl. Smith 2007, S.79) – zu dieser Zeit betrug das Pro-Kopf-BIP in der Niederlande 4.431$, heute beläuft es sich auf rund 47.474$ (Maddison Project Database 2020).

Herman Daly schreibt 1977, dass das Erreichen des Wohlstandsniveaus der USA zu dieser Zeit für alle damals existierenden vier Milliarden Menschen unmöglich sei und erst recht nicht für eine noch größere Weltbevölkerung (vgl. Daly 2012, S.5). 1977 betrug das BIP pro Kopf der USA rund 9.452$. Das globale BIP pro Kopf im Jahr 2021, bei einer etwa doppelt so großen Weltbevölkerung, betrug 12.236$ (World Bank Open Data 2023). Das laut Daly unmögliche ist geschehen.

Historisch wurde das Wachstumspotential bisher also immer wieder systematisch unterschätzt. Auch wenn es sich hierbei um eine Induktion handelt, legt diese Erfahrung nahe, dass auch wir heute das Wachstumspotential vermutlich eher unterschätzen. Optimistisch betrachtet könnten wir daraus induzieren, dass noch sehr viel Wachstum möglich ist, sodass aus Sicht zukünftiger Generationen unser heutiger Entwicklungstand ähnlich prekär erscheinen wird, wie für uns z.B. der von Smiths Zeiten.

Aus dieser optimistischen Induktion folgt, dass das maximal erreichbare Plateau an Wohlstand und damit die Limits des Wirtschaftswachstums, nicht realistisch einzuschätzen sind und wir noch auf viel Wachstum hoffen können. Wenn wir zusätzlich dazu die Prämisse akzeptieren, dass weiteres Wirtschaftswachstum normativ wünschenswert ist (was die Arbeit im weiteren Verlauf ausarbeitet), dann ergibt sich daraus, dass wir so handeln sollten, als wären dem Wachstum keine unmittelbaren Limits auferlegt, solange wir keine Anzeichen für Gegenteiliges sehen. Denn wenn wir von harten, unmittelbaren Grenzen für das Wachstum ausgehen und dann davon geleitet politisch Wachstum nicht mehr verfolgen und kein weiteres mehr zu erreichen versuchen, könnte es passieren, dass wir uns irren. In dem Fall hätten wir auf wünschenswertes Wachstum lediglich aufgrund unserer Fehlannahme, es wäre keines mehr möglich, verzichtet. Es ist daher vernünftiger darauf zu wetten und so lange so zu handeln, als gäbe es noch mehr Wachstumspotential, bis dieses tatsächlich erschöpft ist.

5.    Der normative Wert von perpetuellem Wachstum

Laut Brian Kogelmann lassen sich normative Argumente für wirtschaftliches Wachstum allgemein in zwei Kategorien einordnen: wealth-sensitive und wealth-insensitive arguments beziehungsweise wohlstandsabhängige und wohlstandsunabhängige Argumente (vgl. Kogelmann 2022, S. 478). Wohlstandsabhängige Argumente beinhalten, dass Wachstum nur notwendig ist, um ein normativ wünschenswertes Wohlstandsniveau zu erreichen, weshalb: „If a country is sufficiently rich, then a wealth-sensitive argument will not advocate growth. By contrast, a wealth-insensitive argument will say that all countries should pursue growth regardless their current level of wealth.“ (ebd.)

Wenn Wachstum allgemein eine normative Bedeutung haben soll, muss die Begründung für den normativen Wert des Wachstums demnach in erster Linie unabhängig vom Wohlstandsniveau der respektiven Gesellschaft erfolgen. Argumente, die darauf hinauslaufen, dass weiteres Wachstum das Erreichen eines definierten, normativ wünschenswerten Wohlstandsniveaus ermöglicht, entkräften nämlich nicht die zweite Grundidee des Stationary State Paradigmas. Sie schreiben nämlich damit dem Wachstum nur als Mittel dieses Stationary State Wohlstandsniveau zu erreichen, einen temporären normativen Wert zu. Damit verschieben sie also lediglich den Punkt, ab dem das Paradigma wieder gilt, in die Zukunft. Um aufzuzeigen, dass aber Wirtschaftswachstum an sich eine signifikante normative Bedeutung hat – in dem Sinn, dass es für eine Gesellschaft prinzipiell immer normativ erstrebenswert ist ökonomisch zu wachsen – gilt es daher vor allem wohlstandsunabhängige Argumente für Wachstum zu entwickeln (vgl. Kogelmann 2022, S. 478). Im Kern basiert die zweite Idee des Stationary State Paradigmas demnach vor allem auf einer Ablehnung von wohlstandsunabhängigen Argumenten.

Allerdings – und an dieser Stelle widerspricht diese Arbeit Kogelmann – können wohlstandsabhängige Argumente für Wachstum unter bestimmten Umständen dennoch zwar nicht prinzipiell, aber rein praktisch als wirksame Argumente gegen das Stationary State Paradigma fungieren. Nämlich dann, wenn sie das maximal normativ wünschenswerte Wohlstandsniveau weit jenseits dessen ansetzen, was die Menschheit erreicht hat oder erreichen könnte. Zum Beispiel würde ein Argument, welches das normativ erstrebenswerte Wohlstandsniveau der Menschheit auf dem Level einer Typ III Zivilisation auf der Kardaschow-Skala verortet (vgl. Kardashev 1967, S.219) und jegliches Wachstum in diese Richtung normativ aufwertet, im Prinzip das Stationary State Paradigma nicht widerlegen. Allerdings würde es den Stationary State so weit in die ungewisse Zukunft verschieben, dass das Paradigma aus der Perspektive aller heute lebender Menschen und ihrer unmittelbaren Nachfahren jegliche praktische Relevanz verliert. Wohlstandsabhängige Argumente dieser Art sollen daher im Folgenden ebenfalls diskutiert werden.

Laut Kogelmann lassen sich schließlich wealth-insensitive arguments für ökonomisches Wachstum in indirekte und direkte Argumente differenzieren. Indirekte Argumente gehen nicht davon aus, dass ökonomisches Wachstum immer besser sei, sondern, dass das Verhindern von Wachstum moralisch verwerfliche Maßnahmen erfordern würde (vgl. Kogelmann 2022, S. 479). Während direkte Argumente davon ausgehen, dass Wachstum selbst einen positiven normativen Wert hat, da es wünschenswerte Zustände herbeiführt. Dieser Unterscheidung wird bei der Einordnung und Bewertung der folgenden Argumente gefolgt.

5.1 Die Unmoralität des Wachstumsstopps

Kogelmann selbst identifiziert nur ein einziges Argument für perpetuelles Wachstum, nämlich das indirekte Argument, dass „we are committed to continued economic growth – not because there is a direct argument in defense of growth, but because stopping growth would require actions that are morally objectionable” (vgl. Kogelmann 2022, S.483 – 484).

Kogelmanns Argument lässt sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Kogelmann 2022, S. 485):

  1. Unter den richtigen gesellschaftlichen Bedingungen stellt sich Wirtschaftswachstum langfristig von selbst ein.
  2. Um Wirtschaftswachstum zu stoppen, müsste eine Gesellschaft diese wachstumsfördernden Bedingungen verändern.
  3. Wir haben jedoch unabhängige moralische Gründe diese Bedingungen zu erhalten, ungeachtet ihres Effekts auf das Wirtschaftswachstum.
  4. Diese Bedingungen zu verändern wäre moralisch falsch.
  5. Demnach wäre es nicht möglich, Wirtschaftswachstum auf eine moralisch akzeptable Art und Weise zu verhindern, und wir sind dadurch indirekt weiterem Wachstum verpflichtet.

Von den in Prämisse 3 genannten Bedingungen identifiziert Kogelmann drei Kategorien (vgl. ebd. S.485), die auch von Endogenen Wachstumstheorien bestätigt werden (vgl. Aghion 2023, S.32, 292):

Erstens argumentiert er aufbauend auf der institutional theory of economic growth von Acemoglu und Robinson, dass Wachstum von inklusiven politischen und ökonomischen Institutionen ermöglicht und gefördert wird, die die Demokratie kennzeichnen. Würde man Wachstum stoppen wollen, wäre dies nur durch die Abschaffung demokratischer Institutionen möglich (vgl. Kogelmann 2022, S. 485).

Zweitens argumentiert Kogelmann aufbauend auf den Arbeiten von Joel Mokyr, dass Wirtschaftswachstum vor allem von der Akkumulation und Verbreitung von Wissen und damit von Forschungs- und Gedankenfreiheit vorangetrieben wird. Ein Staat könnte Wachstum daher langfristig nur mit einem Regime der Zensur und mit Verboten unterdrücken. Solch ein undemokratischer Eingriff in die individuelle Autonomie ist jedoch moralisch abzulehnen (vgl. ebd., S.486).

Drittens argumentiert Kogelmann, aufbauend auf den Arbeiten von Deirdre McCloskey, dass die Phase des globalen Wachstums seit der Aufklärung dadurch bedingt ist, dass sich ein ethisches Framework etabliert hat, nach welchem Menschen, die im Handel involviert sind und ökonomisch aufzusteigen versuchen, mit Würde behandelt werden.  Davon ausgehend, ließe sich wirtschaftliches Wachstum langfristig nur unterdrücken, wenn die Gesellschaft wieder, wie es in früheren Feudalgesellschaften oft der Fall war, sich stratifiziert und jene diskriminiert, die im Handel involviert sind und versuchen ökonomisch aufzusteigen – etwas, was moralisch nicht akzeptabel wäre (vgl. Kogelmann 2022, S.487).

Der offensichtliche erste Einwand gegen Kogelmanns Argumentation ist, dass es durchaus logisch möglich ist, dass die von ihm beschriebenen zugleich normativ wünschenswerten als auch wachstumsfördernden Bedingungen auch in einem stationary state bestehen könnten – auf diesen Einwand geht er bereits selbst in We Must Always Pursue Economic Growth ein.  Laut Kogelmann ist die alleinige logische Möglichkeit dieser Koexistenz kein Einwand gegen seine Argumentation, solange diese Möglichkeit nicht auch plausibel ist – und das ist sie laut Kogelmann nicht. Es ist nämlich in erster Linie plausibel, dass wachstumsfördernde Bedingungen bei ihrem Vorhandensein auch tatsächlich zu Wachstum führen (vgl. Kogelmann 2022, S. 487).

Kogelmann führt aus, dass Vertreter des Stationary States Paradigmas wie Mill oder Keynes in ihren Theorien oft davon ausgehen, dass, nach dem Erreichen eines gewissen materiellen Wohlstands, alle Menschen freiwillig weniger oder gar nicht mehr arbeiten und auch keine Wohlstandssteigerung beziehungsweise keinen Reichtum mehr anstreben würden. Dies würde dazu führen, dass selbst unter normativ wünschenswerten und wachstumsfördernden Bedingungen wie z.B. dem Vorhandensein von demokratischen Institutionen, das Wachstum zum Erliegen kommen würde (vgl. ebd.).

Gegen diese Annahme der Vertreter des Stationary State Paradigmas gibt es zwei Einwände:

1) Ein Einwand, den Kogelmann selbst nicht macht, ist der, dass selbst bei sinkenden Arbeitszeiten Wachstum voranschreiten kann, solange die Steigerung der Produktivität durch Innovation dies mehr als kompensiert. Eine Steigerung des ökonomischen Wachstums trotz rapide sinkender Arbeitszeiten ist auch etwas, was empirisch nachweislich bereits geschehen ist und weiterhin geschieht. So hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit pro Kopf in den vergangenen 150 Jahren in den meisten Staaten mehr als halbiert (vgl. Giattino 2020). Eine Fortsetzung dieses Trends erscheint plausibel, insbesondere bei einem steigernden Grad der Automatisierung der ökonomischen Produktion durch die Implementierung und Weiterentwicklung von zum Beispiel Künstlicher Intelligenz. Dies könnte schließlich sogar so weit voranschreiten, dass selbst die wachstumstreibende Forschung und Entwicklung neuer Technologien automatisiert wird und keine oder kaum menschliche Inputs mehr benötigt. Die Möglichkeit, dass KI an einen Punkt der Singularität gelangt, ab welchem sie sich selbst und andere Technologien automatisch weiterentwickeln kann, scheint plausibel (vgl. Bostrom 2014, S. 90). Ab solch einem Punkt könnte wirtschaftliches Wachstum weiter voranschreiten, selbst wenn die Menschheit überhaupt nicht arbeiten würde. Nick Land zum Beispiel prognostiziert in seiner posthumanistischen Revision marxistischer Dialektik die Entstehung gerade einer solchen technokapitalistischen Singularität, in welcher sich die expansive Dynamik des Kapitalismus verselbstständigt und den Menschen als Inputfaktor redundant macht, als eigentliches logisches Ende der Geschichte (vgl. Land 2013, S.16).

2) Der zweite, von Kogelmann selbst vorgebrachte Einwand gegen diese Annahme der Vertreter des stationary states ist, dass die von Mill oder auch Keynes angenommen Veränderungen in der Moral und menschlichen Natur des Menschen beim Erreichen des stationary states nicht plausibel sind und von ihnen auch nicht erklärt werden (vgl. Kogelmann 2022, S.488). Warum sollten Menschen aufhören zu arbeiten oder keinen Reichtum mehr anstreben, nur weil sie selbst oder die Gesellschaft ein bestimmtes materielles Niveau erreicht haben? Für manche Menschen mag Arbeit nur rein instrumentell ein Weg sein, um ein bestimmtes Niveau an materiellen Gütern zu erreichen. Diese Menschen würden tatsächlich bei der Sättigung dieses Niveaus Arbeit jederzeit komplett gegen Freizeit eintauschen, aber zweifelsfrei würden das nicht alle. Ansonsten gäbe es zum Beispiel keine Milliardäre, die wie Elon Musk, Bernard Arnault oder Mark Zuckerberg noch immer arbeiten, obwohl sie mehr Vermögen akkumuliert haben, als dass sie es in ihrer Lebenszeit vernünftig ausgeben könnten.

Arbeit erfüllt offensichtlich für viele Menschen nicht nur einen instrumentellen Zweck, sondern dient auch der Befriedigung grundlegender postmaterieller Bedürfnisse wie der Möglichkeit in einer Gemeinschaft mit anderen zusammenzukommen, Fähigkeiten zu entwickeln, sich nützlich zu fühlen, sich selbst zu verwirklichen und soziale Anerkennung zu erlangen. Vor allem der letzte Aspekt der sozialen Anerkennung fungiert als ein Treiber von weiterem Wachstum, da es in der menschlichen Natur zu liegen scheint, dass das eigene Wohlbefinden nicht unbedingt von dem absoluten Wohlstandsniveau abhängt, sondern sehr stark von dem relativen Vergleich mit anderen, also dem eigenen sozioökonomischen Status (vgl. Kogelmann 2022, S.489).

Tatsächlich hat das Streben nach Differenzierung durch sozialen Status eine evolutionäre und neuronale Basis (vgl. Koski et al. 2015), sodass es unplausibel scheint, dass das Streben nach der sozialen Differenzierung durch das Erreichen von relativ höherem Wohlstand, bei einem Großteil der Menschheit einfach verschwinden sollte, nur weil ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht ist.  Oder wie der Ökonom Benjamin Friedman beobachtet: „The desire to get ahead compared to other people, just like the desire to advance beyond one’s own prior experience, creates a motivation for economic effort that persists no matter how high living standards rise.” (Friedman 2006 S.87)

Tatsächlich steckt in dieser Verteidigung Kogelmanns der Kern für erste wohlstandsunabhängige Argumente, die er selbst übersehen hat, und die in den folgenden Abschnitten ausgeführt werden.

5.2 Der Erhalt des subjektiven Wohlbefindens

Sollten wir beständiges Wachstum verfolgen, um glücklicher zu werden? Tatsächlich gibt es zwar eine starke positive Korrelation zwischen dem BIP pro Kopf in einem Land und der selbstberichteten Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Menschen in wohlhabenderen Staaten berichten im Schnitt glücklicher und zufriedener zu sein (vgl. Ortiz-Ospina & Roser 2017). Allerdings herrscht in der Fachliteratur Uneinigkeit darüber, ob ein höheres Wohlstandsniveau ab einem gewissen Punkt tatsächlich Menschen immer glücklicher machen kann.

Besonders einflussreich ist im Diskurs dabei vor allem das sogenannte Easterlin-Paradox, das auf empirische Studien des Ökonomen Richard Easterlin zurückgeht. Laut denen sind US-Amerikaner im Durchschnitt zwischen 1946 und 1970 nicht glücklicher geworden, trotz eines enormen Anstiegs des Wohlstandes (vgl. Easterlin 1974, S. 90) – woraus oft gefolgert wird, dass ab einem gewissen Punkt an Wohlstand, bei dem alle Grundbedürfnisse gestillt sind, mehr Wohlstand nicht mehr zu mehr Glück führt. Neuere Studien, wie die besonders breit rezipierte von Stevenson und Wolfers, finden allerdings zum Teil “no evidence that countries become satiated – the positive income-happiness relationship holds for both developed and developing nations.” (vgl. Stevenson & Wolfers 2008, S. 9)

Eine mögliche Erklärung, warum in manchen empirischen Studien – wie denen von Easterlin – die selbstberichtete Zufriedenheit in wohlhabenderen Staaten ab einem gewissen Punkt zu stagnieren scheint, lässt sich darin finden, dass die von ihnen benutzten Fragebögen nicht die tatsächliche Zufriedenheit messen, sondern halt die selbstberichtete, nach außen kommunizierte. Wie Menschen jedoch von ihrem eigenen Leben sprechen, scheint stark von sprachlichen Konventionen und Framing-Effekten abzuhängen. Diese scheinen sich auch im Laufe der Zeit anzupassen, weil Menschen neue Erwartungen daran entwickeln, wie glücklich sie sein können. Entsprechend kann ein konstantes Niveau bei der selbstberichteten Lebenszufriedenheit tatsächlich einen Anstieg bei der realen Lebenszufriedenheit implizieren, da die Verbesserungen in der Lebensqualität dazu führen, dass die Begriffe, die zur Kommunikation von Zufriedenheit und Glück benutzt werden, durch die Verschiebung der Referenzpunkte ambitioniertere Bedeutungen annehmen (vgl. Cowen 2018, S.43-44).

Es scheint allerdings plausibel anzunehmen, dass die Kapazität von Menschen für Glück und Zufriedenheit nicht unbegrenzt ist. Auch wenn vermutlich das Wohlstandsniveau in keinem Land dieser Welt heute schon so hoch ist, dass keine weiteren Steigerungen im subjektiven Wohlbefinden durch Wachstum möglich wären, wird so ein Sättigungspunkt vermutlich irgendwann erreicht werden. Also auch wenn das Easterlin-Paradox wahrscheinlich noch nicht wahr ist, wird es vermutlich früher oder später wahr werden (vgl. Moller 2011, S. 182).

Stationary-State-Argumente gehen oft davon aus, insbesondere in utilitaristischen Ausprägungen wie bei Mill aber auch bei Keynes (vgl. Keynes 2010, S.327), dass sobald wir diesen Sättigungspunkt an Glück erreicht haben, wir keinen Grund hätten, weiteres Wachstum zu verfolgen, oder dass gar das Verfolgen von weiterem Wachstum uns davon abhalten würde glücklicher zu werden.

Diese Annahme übersieht allerdings zwei relevante Einwände:

1) Subjektives Glücksempfinden ist nicht der einzige relevante Faktor, der ein Leben gut macht.

Ein gutes und begehrenswertes Leben umfasst mehr als subjektives Wohlbefinden beziehungsweise Glück, sondern viele weitere Werte. Ein klassisches Gedankenexperiment, welches dies veranschaulicht, ist das der Experience Machine von Robert Nozick (vgl. Nozick & Nagel 2013, S. 43). Aber auch in der klassischen Philosophie umfasst zum Beispiel das aristotelische Konzept des guten Lebens als Eudaimonia deutlich mehr als nur subjektives Wohlbefinden oder hedonistisches Glück (vgl. Rapp & Corcilius 2021, S.147). Diese verschiedenen Konzepte und Werte, die ein gutes Leben ausmachen, lassen sich mit einem steigenden Wohlstandsniveau besser realisieren, da: „Wealthier societies offer greater opportunities and freedoms to pursue preferred concepts of happiness, even if this privilege does not always show up in the measurement of [selfreported happiness]” (vgl. Cowen 2018, S.45).

Des Weiteren gibt es bei Menschen eine Tendenz sich mit bestimmten Zuständen nach einer Weile abzugeben und subjektiv genauso glücklich zu sein, als ob es diese nicht gäbe, wie z.B. das Disability-Paradox illustriert. Laut diesem berichten viele Menschen, die in Folge von Unfällen schwere Behinderungen erleiden, oft genauso glücklich zu sein wie vor den Unfällen. Auch wenn in diesem Fall das subjektive Glücksbefinden zwischen dem Zustand vor und nach dem Unfall identisch sein sollte und nicht nur eine sprachliche Adaption vorliegt, scheint die Lebensqualität unabhängig von der subjektiven Zufriedenheit vor dem Unfall objektiv besser und wünschenswerter zu sein, da in diesem die Person ein höheres Wohlbefinden in Form von zum Beispiel höherer Freiheit, höherer Lebenserwartung und weniger Schmerzen hatte (vgl. Moller 2011, S. 189).

Aus diesen Gründen, und weil subjektives Wohlbefinden empirisch nur schwer messbar ist, schlägt der Philosoph Dan Moller vor, im Hinblick auf die Diskussionen über die Möglichkeiten von ökonomischem Wachstum unser Leben zu verbessern, sich auf objektive, weil von außen messbare Werte für das Wohlbefinden der Menschen zu fokussieren. Als Beispiele für diese Werte führt er die Lebensdauer, die Gesundheit, das Wohlbefinden der geliebten Menschen sowie Güter, die zur Selbstverwirklichung beitragen, auf (vgl. Moller 2011, S. 187). Dieses Argument soll im nächsten Abschnitt 5.3 genauer ausgearbeitet werden.

2) Wachstum steigert vielleicht ab einem gewissen Wohlstandsniveau nicht mehr das subjektive Wohlbefinden, aber es trägt dazu bei es zu erhalten.

Kogelmann schreibt, dass “for the happiness argument to be wealth insensitive, it must be true that increased wealth always results in greater happiness” (vgl. Kogelmann 2022, S.481), etwas was wie beschrieben, zumindest langfristig unplausibel erscheint. Wachstum kann vermutlich nicht endlos zu einer Steigerung von subjektiven Wohlbefinden beitragen, allerdings gibt es dennoch einen Grund, warum wir in Hinblick auf das Glücksempfinden beständiges Wachstum anstreben sollten. Es gibt nämlich eine Möglichkeit für ein wohlstandsunabhängiges Argument für beständiges Wachstum, die Kogelmann übersehen hat, nämlich dass beständiges Wachstum zum Erhalt eines hohen Niveaus an subjektiven Wohlbefindens beiträgt – und genau dies scheint der Fall zu sein.

Das subjektive Wohlbefinden von Menschen scheint nämlich, nachdem gewisse Grundbedürfnisse gestillt sind, vor allem durch relative Verbesserungen in ihren Lebensumständen zu steigen und ab einem gewissen Punkt erhalten zu werden. Dies ist auch eine Erklärung für die stagnierende Zufriedenheit im Easterlin-Paradox, aber auch die häufige Rückkehr zu einer Baseline an Zufriedenheit, die das Disability-Paradox beschreibt: Nach einer gewissen Zeit gewöhnen sich Menschen an das, was sie haben oder sind, und die Zufriedenheit, die ihnen der Status Quo bereitet, sinkt (vgl. Friedman 2006, S. 82). Ob Menschen sich selbst als glücklich empfinden und mit ihrem Leben zufrieden sind, hängt dann stark davon ab, wie sie ihre Lebensumstände im relativen Vergleich evaluieren. Wobei „[…] the most obvious benchmark people have in mind when they draw such comparisons is their own past experience. People who live better now than they did before, or better than they recall their parents living, are likely to think they are doing well. Those who look back on better times—better for them and their families, that is—think they are not. As a result, psychological studies have repeatedly confirmed that people’s satisfaction depends less on the level of their income than on how it is changing” (vgl. Friedman 2006, S. 82).

Wenn Menschen den Eindruck haben, dass es ihnen relativ schlechter geht als zu einem früheren Zeitpunkt in ihrem Leben, sinkt in der Regel ihre Lebenszufriedenheit, selbst wenn sie einen sehr hohen Lebensstandard haben. Deshalb nehmen Depressionen und Unzufriedenheit während Rezessionen zum Beispiel auch in wohlhabenden Ländern stark zu (vgl. Cheves et al. 2018, S. 982), selbst wenn diese Rezessionen das Wohlstandsniveau nicht unter den Punkt absenken, der zuvor von z.B. den Easterlin-Studien als Sättigungspunkt für Zufriedenheit identifiziert worden war. Ähnlich verhält es sich mit ökonomischer Stagnation: “once growth stops—no matter how high people’s incomes have risen—it is only a question of time before habits adapt and the sense of heightened well-being dissipates. Not only does a better standard of living come to seem familiar and customary, so too do changes like improved working conditions, fewer hours on the job, and superior medical treatment. Only if growth and change persist will people continue to feel better off.”  (Friedman 2006, S.83).

Wenn also ein möglichst hohes subjektives Wohlbefinden in Form von Glück und Zufriedenheit normativ wünschenswert ist, so lässt sich dieses in einer ständig wachsenden Welt am ehesten steigern und erhalten. Ein Stationary State würde durch die in ihm vorherrschende Stagnation langfristig zu Unzufriedenheit und Frustration führen.

5.3 Objektive Verbesserungen des Lebens

Als John Stuart Mill 1848 schrieb, dass es in den fortgeschrittenen Nationen seiner Zeit mittlerweile genug Wohlstand gäbe und es nur auf die richtige Verteilung ankommt, lag das BIP pro Kopf in Westeuropa bei rund 2.500$. Heute liegt es selbst in der ärmsten Region der Welt, in Sub-Sahara-Afrika, bei 3.500$ (vgl. Maddison Project Database 2020) – und wohl kaum jemand würde heute behaupten wollen, dass es den Menschen in Sub-Sahara-Afrika wirtschaftlich gut genug geht.

Doch nicht nur sind die Menschen in Afrika heute im Durschnitt reicher als die Menschen in Westeuropa zu John Stuart Mills Zeit – es geht ihnen und der gesamten Weltbevölkerung statistisch betrachtet auf mehreren objektiven Ebenen viel besser. So betrug zum Beispiel die Lebenserwartung in den 1850ern in Europa lediglich rund 36 Jahre – während in Afrika insgesamt heute die Lebenserwartung bei rund 62 Jahren liegt, und in Europa bei 77 Jahren (vgl. Roser et al. 2022).

Mehr Wachstum führt zu einem höheren Wohlstandsniveau, welches empirisch bisher in der Menschheitsgeschichte stets mit objektiven Verbesserungen der Lebensqualität, wie einer steigenden Lebenserwartung, besserer Ernährung und Gesundheit, besserem Zugang zu Gütern wie Bildung, Freizeit und Reisen sowie mehr Möglichkeiten zur individuellen Selbstverwirklichung einherging (vgl. Moller 2011, S. 187). Dies ist zwar ein wohlstandsabhängiges Argument für Wachstum, allerdings verdient es einer genaueren Betrachtung.

Dieses Beispiel anhand von Mill veranschaulicht nämlich nicht nur erneut die Schwierigkeiten der Einschätzung von Wachstumspotentialen, sondern wirft mehrere Fragen auf. Nämlich zum einem, was eigentlich ein ausreichend hohes Wohlstandsniveau ausmacht, von welchem aus die Menschheit sich mit einem stationary state zufriedengeben sollte. Mill schien davon auszugehen, dass der allgemeine Wohlstand in den westeuropäischen Staaten seiner Zeit für ein gutes Leben ausreichen würde, wenn er nur gerecht verteilt wäre. Doch eine Welt mit dem Wohlstandsniveau der 1850er Jahre, selbst wenn dieses absolut egalitär verteilt wäre, erscheint vermutlich den meisten Menschen, die im 21. Jahrhundert leben, bei genauerer Betrachtung wie eine Dystopie. Die wirtschaftliche Produktivität dieser Zeit pro Kopf reichte nicht einmal aus, um eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen, und sie verfügte nicht über die Produktionskapazitäten, um zum Beispiel heutzutage als essentiell angesehene medizinische Güter wie Antibiotika und Impfungen bereitstellen zu können.

Die SARS-CoV-2 Pandemie illustriert dies als Beispiel sehr gut: Nach dem Auftreten der ersten Infektionen im Dezember 2019 dauert es gerade mal ein Jahr, bis die ersten Millionen von Menschen geimpft worden waren und großflächige Impfkampagnen in mehreren Staaten beginnen konnten (vgl. CDC 2023). Eine Weltwirtschaft mit einer deutlich geringeren Produktivität auf dem Niveau von Mills Zeit, wäre nicht in der Lage gewesen Ressourcen für so eine rapide Entwicklung, Produktion und Distribution von Impfstoffen und zur Eindämmung der Pandemie aufzubringen. Allein im Jahr 2020 gaben Regierungen weltweit rund 720 Milliarden $ für die Bekämpfung der Pandemie aus (vgl. WHO 2022, S. 7) – und selbst wenn man die ebenfalls immensen privaten Investitionen nun nicht dazu rechnet, macht dies bereits rund 50% des globalen BIP von 1850 aus, aber nicht einmal 0,63% des globalen BIP von 2018 (Maddison Project Database 2020). Insgesamt wurden schätzungsweise bereits im ersten Jahr durch die Impfkampagne weltweit 14,4 Millionen Menschenleben gerettet (vgl. Watson et al. 2022). Dass die globale Wirtschaft heute zu solch einer Leistung fähig ist, die Millionen von Menschen das Leben gerettet und verlängert hat, ist eine objektive Verbesserung gegenüber den 1850ern. Solch eine Leistung wäre noch vor wenigen Jahrzehnten nicht möglich gewesen, und auch wenn vielleicht, wie die Easterlin-Studien vermuten, das subjektive Wohlbefinden in Form von Glück heute nicht höher sein sollte als vor einigen Jahrzehnten, so hat dennoch das heutige Wohlstandsniveau dazu beigetragen, dass es den Menschen objektiv besser geht und sie dieses Glück durch eine bessere Gesundheitsversorgung auch länger und unbeschwerter genießen können.

Es ist davon auszugehen, dass sich John Mill die Produktivität unserer heutigen Weltwirtschaft und damit ihre Möglichkeit solche globalen Krisen wie Pandemien anzugehen nicht einmal vorstellen konnte – er hielt das heutige Wohlstandsniveau ausgehend von der ersten Idee des Stationary State Paradigmas nicht einmal für möglich, und war generell skeptisch gegenüber der Möglichkeit von Technologie und Wohlstand das Leben der Menschen überhaupt zu verbessern (vgl. Mill 2004, S.595).

Das ist auch einer der Mechanismen wie die erste und die zweite Idee des Paradigmas verknüpft sind: Der Pessimismus über die Möglichkeiten des höheren Wohlstandes das Leben zu verbessern führt dazu mehr Wachstum abzulehnen, und sich stattdessen damit zu beschäftigen, wie aus dem Status Quo heraus durch eine egalitärere Verteilung eine bessere Welt geschaffen werden könnte.

Weil Mill nicht daran glaubte, dass eine so wohlhabende Welt wie unsere möglich ist, hielt er es auch nicht für normativ wünschenswert diese anzustreben. Es ist jedoch recht evident, dass das weitere Wachstum der letzten 170 Jahre seit Mills Zeit mehr zur objektiven Verbesserung der Lebensqualität der Menschen weltweit beigetragen hat, als jede noch so egalitäre Verteilung des Status Quo von Mills hätte erreichen können. Gleiches lässt sich bei John Rawls attestieren: das massive globale ökonomische Wachstum seit den 1970ern Jahren hat mehr zur Linderung des Leidens der Ärmsten und Schwächsten auf der Welt beigetragen, als es die von Rawls präferierte Redistribution des Status Quo seiner Zeit hätte jemals leisten können.

Wenn ein Stationary State normativ wünschenswert sein soll, dann scheint es auf der Hand zu liegen, dass die Menschheit ihn erst anstreben sollte, wenn sie das Maximum an normativ wünschenswerten objektiven Verbesserungen der Lebensqualität durch die Zunahme von weiterem Wohlstand ausgeschöpft hat und weiteres Wachstum tatsächlich zu keiner objektiven Verbesserung der Lebensqualität mehr beitragen könnte. Doch wann ist dieser Punkt erreicht – gibt es ihn überhaupt?

Die Antwort ist zweigeteilt:

Erstens, können wir es nicht wirklich wissen, aber wir haben gute Gründe anzunehmen, dass weitere Steigerungen der Produktivität weitere objektive Steigerungen der Lebensqualität ermöglichen würden. Genauso wenig wie Mill sich die Möglichkeiten unserer rund 80-mal größeren Weltwirtschaft (vgl. Maddison Project Database 2020) vorstellen konnte, genauso wenig können wir uns vermutlich heute die Möglichkeiten einer Weltwirtschaft vorstellen, die ein Vielfaches produktiver ist als die unsere. Der epistemische Vorteil gegenüber Mill, den wir heute haben ist, dass wir im Gegensatz zu ihm empirisch nicht nur auf drei Jahrzehnte von signifikantem Wachstum zurückblicken können, sondern auf zwei Jahrhunderte (vgl. Aghion 2023, S.21).  Diese Erfahrung zeigt, dass, wie unter anderem der Philosoph Dan Moller argumentiert, Menschen eine natürliche Tendenz zu einem Status Quo Bias haben, von dem aus der aktuelle Entwicklungsstand als normal und nicht weiter verbesserungswürdig erscheint, wodurch wir die Erreichbarkeit und die Möglichkeiten einer wohlhabenderen Welt systematisch unterschätzen (vgl. Moller 2011, S.188).

Davon ausgehend, können wir versuchen den Status Quo Bias zu umgehen, zu extrapolieren und zu mutmaßen, dass noch sehr viel möglich ist. Es wäre zum Beispiel möglich, dass weitere Produktivitätssteigerungen und Innovationen im Gesundheitssektor und vor allem der Gentechnik, es Menschen in einer weiterentwickelten Wirtschaft als der heutigen, ermöglichen könnten ihre Lebenserwartung auf Jahrhunderte auszudehnen oder Krankheiten wie Krebs quasi auf Knopfdruck zu heilen. Dies mag wie ein Wunder erscheinen, aber bereits heute vollbringen unsere ökonomischen und technologischen Fähigkeiten Dinge, die aus einer historischen Perspektive wie Wunder erscheinen können. So starb zum Beispiel 1836 der damals vermutlich reichste Mann der Welt, Nathan Rothschild, an einer gewöhnlichen Infektion, die heute durch Antibiotika selbst bei den Ärmsten meist problemlos geheilt werden kann (vgl. Friedmann 2006, S.23). Heutige Luxusgüter, die das Leben interessanter machen, wie der Besitz einer Yacht oder Reisen in den Weltraum, könnten ebenso eines Tages so allgemein zugänglich werden, wie frühere Luxusgüter heute allgemein zugänglich sind. So waren zum Beispiel im 18. und 19. Jahrhundert Toiletten noch ein für die meisten Menschen unerschwingliches Luxusgut – während der Herrschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV. befand sich im gesamten Schloss Versailles mit seinen 2.000 Zimmern genau eine (vgl. FAZ 2017) – heute lässt sich in den meisten Städten eine Toilette in jeder Wohnung finden.

Aber letztendlich sind dies nur Spekulationen – ob objektive Steigerungen der Lebensqualität in den meisten Bereichen durch weiteres Wachstum ermöglicht werden würden oder irgendwann ein unüberwindbares Plateau eintritt, können wir erst definitiv wissen, wenn sie tatsächlich eingetreten sind. Allerdings scheint es moralisch aus der Erfahrung der vergangenen zwei Jahrhunderte geboten, weiteres Wachstum anzustreben, da dies sich empirisch als die effektivste Methode erwiesen hat, um die objektive Lebensqualität der meisten Menschen zu steigern.

Zweitens gibt es mindestens einen Bereich, in welchem es eigentlich kein plausibles Genug an verfügbarer ökonomischer Produktivität und damit auch kein ausreichend hohes Wohlstandsniveau geben kann, nämlich bei der Kapazität zur Bekämpfung von existenziellen Risiken.

5.4 Reduktion existenzieller Risiken

Wie das Beispiel der SARS-Cov-2 Pandemie veranschaulicht, ermöglicht ein höheres Wohlstandsniveau einer Gesellschaft besser auf Krisen zu reagieren, da sie über einen größeren ökonomischen Überschuss verfügt, den sie in die Prävention oder Reaktion allokieren kann, ohne dafür an anderer Stelle auf lebenswichtige Güter verzichten zu müssen. Egal ob Waldbrände, Hungersnöte, Armut, Flutkatastrophen oder Krankheitsausbrüche – eine Gesellschaft mit einer wohlhabenderen Wirtschaft verfügt in der Regel über mehr Ressourcen und Kapazitäten, um auf diese zu reagieren und den Betroffenen zu helfen. Ein normativer Sättigungspunkt an wirtschaftlichen Wohlstand, von welchem aus es nicht wünschenswert wäre noch umfangreicher und schneller auf Krisen reagieren und Leiden reduzieren zu können, ist angesichts all der verschiedenen Leiden, die die Menschheit selbst in den reichsten Ländern plagen, kaum vorstellbar. Bei einem Typus von Krise ist er allerdings nicht einmal plausibel – nämlich bei der Prävention existenzieller Katastrophen.

Vor 65 Millionen Jahren schlug ein 10 Kilometer großer Asteroid auf der Erde ein und löschte rund 80% aller auf der Erde lebenden Spezies aus (vgl. Alvarez et al. 1980) – unter anderem die Dinosaurier, die den Fehler gemacht haben, keine globale Wirtschaft aufzubauen, die ein paar Promille ihrer Leistung in Weltraumprogramme investiert. Wäre so ein Asteroid vor hundert Jahren auf die Erde zugeflogen, würde heute im Guten wie im Schlechten niemand diese Bachelorarbeit lesen, weil die Menschheit den Dinosauriern in die Nicht-Existenz gefolgt wäre. Würde heute jedoch solch ein Asteroid, selbst mit doppelt oder dreifacher Masse, auf Kollisionskurs mit der Erde geraten, so hat die Menschheit tatsächlich mittlerweile die Fähigkeiten, den Asteroiden bei rechtzeitiger Detektion durch Nuklearwaffen vom Kurs abzubringen oder zumindest so weit zu zerbrechen, dass die Einschläge nicht in unserer Auslöschung enden würden (vgl. Lubin & Cohen 2022, S.16). Die Wahrscheinlichkeit, dass in den kommenden hundert Jahren solch ein Asteroid auf einem Kollisionskurs mit der Erde fliegt, liegt bei geringen 1 zu 1.5 Millionen, und ist einer der wenigen großen existenziellen Risiken, zu dem tatsächlich ausreichend Prävention betrieben wird (vgl. Ord 2021, S.69).

Anderen existenziellen Risiken sind wir jedoch aktuell schutzlos ausgeliefert. Ein Gammablitz oder eine Supernova könnten zum Beispiel die Oberfläche der Erde auf einen Schlag quasi sterilisieren – ersteres ist vermutlich bereits vor 440 Millionen Jahren einmal geschehen und führte zum Aussterben von 85% aller damals existierenden Arten (vgl. Melott et al. 2004, S.19). Ein Supervulkanausbruch, wie die Toba-Katastrophe vor 74.000 Jahren, die damals bereits fast die Menschheit ausgelöscht hätte, tritt rund einmal in 80.000 Jahren auf – und würde heute vermutlich die Menschheit wieder nicht komplett auslöschen, aber Milliarden töten und zum zivilisatorischen Kollaps führen (vgl. Ord 2021, S. 74).

Die Tatsache, dass die Menschheit in unserem rund 13.8 Milliarden Jahre alten Universum die einzige uns bekannte Zivilisation ist, legt nahe, dass die Entstehung und das Überleben von intelligenten Lebensformen wie uns, etwas extrem Fragiles und Seltenes ist. Existenzielle Katastrophen scheinen dabei als Große Filter fungieren, die dies in der Regel verhindern (vgl. Hanson 1998). Die Menschheit und das Leben auf der Erde allgemein hatten bisher sehr viel Glück noch von keiner existenziellen Katastrophe ausgelöscht worden zu sein. Glück wird allerdings das Überleben der Menschheit nicht dauerhaft sichern. Entsprechend haben wir eine moralische Verantwortung die Wahrscheinlichkeit dieses Überlebens zu steigern, denn zum einem, wenn alle moral agents tot sind, sind auch keine moral actions mehr möglich (vgl. Ord 2021, S.55). Zum anderen würde ein vorzeitiges Aussterben einen Verlust von Abermilliarden an tatsächlichen und potentiellen Menschenleben bedeuten. Daher sollte die Absicherung vor existenziellen Risiken bzw. das Erreichen eines Zustandes der Existential Security eine oberste Priorität in der Politik und Philosophie einnehmen, wie unter anderem der Philosoph Toby Ord argumentiert (vgl. Ord 2021, S.6).

Je höher das Wohlstandsniveau unserer Zivilisation, desto höher ist der Überschuss an ökonomischer Leistung, den sie in die Prävention und Bewältigung von existenziellen Katastrophen investieren kann. Eine Zivilisation, die wächst, erhöht mit dem Wachstum konstant ihre langfristigen Überlebenschancen und ihre gesamte Lebenserwartung – während eine in einem stationary state stagnierende Zivilisation zwangsläufig mit einer wahrscheinlich deutlich früheren Auslöschung konfrontiert wird.

Es erscheint unplausibel, dass jemals ein Sättigungspunkt erreicht wird, an welchem eine Zivilisation über die Ressourcen verfügt sich tatsächlich gegen alle möglichen existenziellen Katastrophen zu wehren – denn es gibt mehrere Arten von potentiellen existenziellen Katastrophen wie massiven stellaren Explosionen, Kollisionen von Galaxien, einem Vakuumzerfall oder bestimmten Formen von unaligned AGI, bei denen selbst eine Ausbreitung auf mehrere Sonnensysteme nicht für ein Überleben ausreichen würde (vgl. Ord 2021, S. 184).

Wenn es so etwas wie einen normativ wünschenswerten Stationary State im Hinblick auf ein Maximum an erreichbarer und erreichter existenzieller Sicherheit gibt, dann liegt er vermutlich auf einem Wohlstandsniveau, bei welchem die Menschheit sich auf mehrere Galaxien oder gar Universen ausgebreitet hat – was vermutlich nicht möglich ist. Aber jeder Schritt dahin, bedeutet erstmal eine Steigerung der Lebenserwartung unserer Zivilisation und ein exponentielles Mehr an zukünftigen Menschenleben. So schätzt zum Beispiel Nick Bostrom, dass jede Sekunde Verzögerung bei der Kolonialisierung unseres lokalen Supercluster zu circa 1013 bis 1029 weniger zukünftigen Menschenleben führt (vgl. Bostrom 2003, S.4).

Ein Problem, welches sich jedoch aus dem Wirtschaftswachstum im Hinblick auf existenzielle Risiken ergibt, ist das, dass dieses mittelfristig auch neue anthropogene existentielle Risiken erzeugen kann, wie zum Beispiel die Möglichkeit von Nuklearen Kriegen oder der unkontrollierten Profileration biologischer Waffen. Auf diesen Aspekt soll im Diskussionsteil im Abschnitt 6 noch einmal eingegangen werden, wenn es darum geht, diesen Aspekt in die Ermittlung einer angemessenen Wachstumsrate einzubeziehen.

5.5 Non-Zero-Sum-Welt

Unabhängig vom bereits bestehenden Wohlstandsniveau ist beständiges Wachstum normativ wünschenswert, weil nur eine wachsende Wirtschaft, spieltheoretisch betrachtet, ein ökonomisches Non-Zero-Sum Game ist. Eine stagnierende Wirtschaft dagegen ist ein ökonomisches Zero-Sum-Game. Wenn eine Wirtschaft stagniert und damit das Kapital pro Kopf konstant bleibt, kann daher eine einzelne Person ihren individuellen Anteil am gesamten Kapital nur erhöhen, wenn mindestens eine andere Person Kapital verliert – es gibt nur so viele Gewinne, wie Verluste (vgl. Friedman 2006, S.86).

Eine wechselseitig für alle Akteure vorteilhafte ökonomische Kooperation wird damit im Großen und Ganzen in einer Gesellschaft unmöglich, da Transaktionen aggregiert ein Nullsummenspiel darstellen. Nicht nur erscheint eine Welt, in der der ökonomische Vorteil einer Person zwangsläufig den Nachteil einer anderen Person darstellt, unfairer als eine wachsende Welt, in der alle im Großen und Ganzen von Kooperation profitieren können – sie führt auch zu negativen Veränderungen in den moralischen Einstellungen der Menschen, da sie eine Zero-Sum-Denkweise fördert. Umgekehrt fördert eine beständig wachsende Wirtschaft eine normativ wünschenswerte Positive-Sum-Denkweise.

Am prominentesten ist dieses Argument von dem Ökonomen Benjamin Friedman in dem Buch The Moral Consequences of Economic Growth von 2005 ausgearbeitet worden. Darin argumentiert Friedman basierend auf einer Auswertung historischer Daten der USA und diverser europäischer Staaten, dass Perioden der wirtschaftlichen Stagnation oder des Rückgangs mit einer Zunahme von Intoleranz, Egoismus, Ressentiment, sozialer Regression und einer Erosion von Vertrauen einhergehen. Umgekehrt führen Phasen stabilen Wirtschaftswachstums zu einer größeren Offenheit, Toleranz und Akzeptanz für pro-soziale Gesetzgebungen sowie Demokratie (vgl. Friedman 2006, S. 2, 86).

Der Mechanismus hinter diesem Phänomen lässt sich dabei wie folgt begreifen:

Wenn eine Gesellschaft ausreichend stark wächst, ist sie ein Positive-Sum-Game. Ein Individuum A kann in ihr seinen eigenen Lebensstandard erhalten und verbessern,  während andere Individuen B ihren Lebensstandard ebenfalls verbessern. Kosten, die A durch die Verbesserung des Lebensstandards von B möglicherweise entstehen, wie z.B. erhöhte Steuern für die Subvention von Bildung oder Sozialhilfe, werden durch das ökonomische Wachstum und den unterm Strich wechselseitig positiven Effekt von Kooperation wieder ausgeglichen oder gehen zumindest nicht mit einer spürbaren Verschlechterung der eigenen Position einher (vgl. Friedman 2006, S. 95). Unterm Strich kann es sowohl A als auch B gleichzeitig besser gehen. Solche eine Gesellschaft setzt dem Individuum A Anreize für altruistisches oder zumindest neutrales Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen B.

Wenn die Wirtschaft dagegen stagniert oder schrumpft, geht jede Verbesserung des Wohlstands eines Individuums zwangsläufig mit der Verschlechterung des Zustandes einer anderen Person einher. Wenn es A besser geht, geht es B schlechter, und umgekehrt (ebd. S. 85). Es entstehen systematisch in der Gesellschaft Anreize eine Zero-Sum-Denkweise zu adoptieren, die die Wohlfahrt und Soziale Mobilität anderer als eine Bedrohung für die eigene identifiziert (vgl. Różycka-Tran et al. 2015, S. 528).

Da Menschen, wie bereits in 5.2 ausgearbeitet, tendenziell ihr eigenes Wohlbefinden aufgrund von relativen Benchmarks – z.B. wie es ihnen im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt oder ihren Mitmenschen ökonomisch geht – evaluieren, hängt ihr Wohlbefinden stark davon ab, ob sie das Gefühl haben sich relativ in ihren Lebensumständen zu verbessern oder zu verschlechtern (vgl. Friedman 2006, S. 82). Hinzu kommt, dass die menschliche Psyche einen ausgeprägten Hang zur Verlustaversion beziehungsweise zum Besitztumseffekt aufweist.

Potentielle und reale Verluste von Dingen, die wir bereits haben, sind durch diese Verlustaversion in der Regel unangenehmer als die Aussicht auf etwas Neues. Bereits die Gefahr einen Verlust zu erleiden, motiviert unser Verhalten (vgl. Kahnemann 2012, S. 360).  Die Angst davor ökonomisch zu verlieren und abzusteigen, fungiert also proportional stärkerer als ein Motivator, als die Aussicht möglicherweise ökonomisch aufzusteigen. Der tatsächliche oder auch nur potentielle ökonomische Aufstieg einer anderen Person durch z.B. eine egalitäre Sozialpolitik, wird in einer stagnierenden Wirtschaft dabei tendenziell als eine Bedrohung und als aktive Benachteiligung von einem selbst und anderen wahrgenommen, während die eigenen möglichen Vorteile durch solch eine Politik weniger stark gewichtet werden (vgl. Friedman 2006, S. 86).

Dies äußert sich in einer zunehmenden Abwehrhaltung gegen egalitäre Sozialpolitik, aber auch oft, bewusst oder unbewusst, in diskriminierenden Verhaltensweisen wie z.B. Rassismus, um den ökonomischen Aufstieg von anderen zu verhindern oder für sich selbst einen größeren Anteil am Kapital zu sichern (vgl. Friedman 2006, S. 86). Zusätzlich führt das Ausbleiben von relativer Verbesserung bei Stagnation im eigenen Leben zu stärkeren Vergleichen mit den Mitmenschen und damit einhergehend zu mehr Missgunst, Ressentiments, abnehmender Großzügigkeit und wiederrum zu noch weniger Toleranz (vgl. Friedman 2006, S. 92). Schließlich erodiert auch in solch einem intoleranten Klima leichter das Vertrauen in die Mitmenschen und politische Institutionen und damit die Grundlage der Demokratie (vgl. ebd.), was auch spieltheoretisch plausibel ist, da Non-Zero-Sum Interaktionen eine der Grundlage für die langfristige Entstehung von Kooperation und damit Vertrauen darstellen (vgl. Axelrod 2006, S. 42).

Friedman ist nicht der Einzige, der eine solche starke, eine Kausalität plausibel machende Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und der Prävalenz von moralischen Einstellungen empirisch ausmacht:

Den Großteil der Menschheitsgeschichte lebten Menschen in Agrar- und Feudalgesellschaften, die ökonomisch meist kaum merklich wuchsen und damit meistens Zero-Sum-Ökonomien waren. Diese Gesellschaften waren dabei oft von der Prävalenz von zwei Eigenschaften geprägt, wobei die zweite aus der ersten folgt:

  • Zero-Sum-Thinking: Die generelle Überzeugung, dass soziale Beziehungen antagonistisch sind, und der eigene Erfolg nur auf Kosten anderer möglich ist (vgl. Foster 1965, S.67; Różycka-Tran et al. 2015, S. 528).
  • Extraktive Institutionen. Ausbeutung anderer Menschen in Form von Eroberungskriegen und Sklaverei, Diskriminierung aufgrund der Geburt in Form von Klassen- und Kastensystemen, und damit einhergehender Autoritarismus (vgl. Wright 2001, S. 135; vgl. Cowen 2018, S.31).

Einige Evolutionspsychologen und Anthropologen führen die Entwicklungen weg vom Zero-Sum-Thinking und ausbeuterischen Institutionen im Laufe der Menschheitsgeschichte hin zu immer mehr reziproken Altruismus und schließlich der Entstehung und Ausbreitung von liberalen Demokratien, auf die Zunahme der Non-Zero-Sumness in den letzten Jahrhunderten zurück durch die Implementierung von Technologien und Institutionen, die diese fördern (vgl. Wright 2001, S.22), und deren messbares Ergebnis ökonomisches Wachstum ist. Insbesondere die Sklaverei, welche in den meisten Agrargesellschaften der Welt seit der Bronzezeit praktiziert wurde (vgl. Encyclopedia Britannica 2023), begann mit dem steigendem Wirtschaftswachstum und der damit wachsenden Non-Zero-Sumness im Laufe der Geschichte zurückzugehen, bis sie im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und damit des sich beschleunigenden Wachstums, schließlich in immer mehr Staaten kriminalisiert wurde und zu verschwinden begann (vgl. Wright 2001, S. 106, 151; Friedman 2006, S.226).

Aber auch auf einer weniger historischen Ebene lässt sich der Zusammenhang von Wachstum und Zero-Sum-Thinking und damit verbundenen negativen Verhaltensweisen empirisch nachweisen. Eine Auswertung von psychometrischen Untersuchungen von 37 Ländern fand eine positive Korrelation zwischen der Prävalenz von Zero-Sum-Thinking und einem niedrigen BIP (vgl. Różycka-Tran et al. 2015, S. 537). Eine Zunahme an xenophoben und rassistischen Ressentiments ist belegt zum Beispiel für europäische Staaten im Zuge der Rezessionen durch die Finanzkrise von 2008 und die subsequente Eurokrise (vgl. Ghosh 2011, S.188). Friedman selbst verweist als Beispiel auf eine positive Korrelation zwischen Phasen des abnehmenden ökonomischen Wachstums und der Zunahme an Aktivitäten des Klu Klux Klans sowie diskriminierender Gesetzgebungen in den USA des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (vgl. Friedman 2006, S. 128, 148 – 153). Davis und Knauss unterzogen der Hypothese, dass ökonomisches Wachstum die Unterstützung für egalitäre Sozialpolitik fördert, einer empirischen Auswertung mit Daten aus 84 Ländern – und fanden die Bestätigung für eine leicht modifizierte Hypothese, dass dieser Effekt vor allem mit steigendem Wachstum und in weniger entwickelten Staaten stärker auftritt (vgl. Davis & Knauss 2013).

Der Aufstieg des Rechtspopulismus in den USA seit der Finanzkrise 2008 und der Wahlerfolg von Donald Trump 2016 wurden des Weiteren von mehreren Ökonomen auf die Stagnation und Regression vor allem im sogenannten Rust-Belt der USA und den daraus erwachsenden Ressentiments zurückgeführt (vgl. Komlos 2018, S.4).

Das Phänomen, dass Wachstum durch die Schaffung von Non-Zero-Sumness die Entstehung und Aufrechterhaltung von toleranten Einstellungen und inklusiven Institutionen wie Demokratien fördert, ist von großer Bedeutung. Diese Institutionen gehören nämlich auch zu jenen Bedingungen, die aktuelle Wachstumstheorien als die Treiber von Wachstum identifizieren (vgl. Kogelmann 2022, S. 485; vgl. Aghion 2023, S.292). Davon ausgehend postulieren diverse Ökonomen, darunter Friedman, das Konzept von sich selbst verstärkenden Feedbackschleifen bei der Beziehung zwischen politischen Institutionen und Wachstum. Wachstum fördert inklusive, demokratische Institutionen, und diese fördern wiederrum Wachstum, was zu einem sich selbst verstärkenden virtuos circle führt. Stagnation wiederrum fördert autoritäre, extraktive Institutionen, die wiederrum langfristig Stagnation fördern, was zu vicious circles führt (vgl. Friedman 2006, S. 345). Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass historisch betrachtet, vicious circles viel wahrscheinlicher sind und es viel leichter für eine Gesellschaft ist, in einen vicious circle zu geraten, als wieder herauszugelangen (vgl. Friedman 2006, S.344), was es umso wichtiger erscheinen lässt das Aufrechterhalten von Wachstum politisch zu priorisieren.

Eine Gesellschaft, die möglichst wenige oder keine ökonomische „Verlierer“ erzeugt, und die offen, tolerant und von hoher Sozialer Mobilität, sowie von inklusiven Institutionen und der Abwesenheit von Ressentiments und exkludierenden Einstellungen wie Rassismus gekennzeichnet ist, ist normativ wünschenswert. Solch eine Gesellschaft wird jedoch am besten erreicht und aufrechterhalten, wenn sie ein ökonomisches Non-Zero-Sum-Game ist. Damit sie jedoch solch eins ist, muss sie beständig ökonomisch wachsen. Damit ist beständiges Wirtschaftswachstum unabhängig vom bereits erreichten Wohlstandsniveau einer Gesellschaft normativ wünschenswert.

6.    Einschränkungen und Implikationen

Wie in dem vorangegangenen Abschnitt ausgearbeitet ist, entgegen der zweiten Idee des Stationary State Paradigmas, das Vorhandensein von Wachstum normativ relevant und ein Stationary State prinzipiell nicht wünschenswert. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass umgekehrt eine Maximierung des ökonomischen Wachstums stets uneingeschränkt normativ wünschenswert wäre. Im Folgenden werden möglich Einschränkungen und Einwände bei der Setzung von Wirtschaftswachstum als normativen Ziel sowie die Implikationen solch einer Zielsetzung diskutiert.

6.1 Inklusives Wachstum

Ein Defizit des BIP pro Kopf als Messwert für ökonomisches Wachstum ist, dass dieses nur das aggregierte ökonomische Wachstum einer gesamten Gesellschaft misst. Es ist jedoch oft der Fall, dass zwar eine Wirtschaft insgesamt wächst, jedoch bestimmte Teile innerhalb der Wirtschaft und der Gesellschaft zeitgleich Stagnation oder gar einen Niedergang erleben. Dies hat seinen Grund unter anderem darin, dass Wachstum mit Kreativer Zerstörung einhergeht, die zwar für die gesamte Gesellschaft den Wert des ökonomischen Outputs steigert, aber zugleich einigen Individuen Kosten in Form von Insolvenzen und meist temporären Arbeitsplatzverlusten aufbürdet. Die Kosten und Gewinne von Wachstum können unter Umständen sehr ungleich in einer Gesellschaft verteilt sein.

In den Teilen der Gesellschaft, die vor allem von den Kosten betroffen sind und nicht am Wachstum partizipieren, bleiben entsprechend mit dem Wachstum auch dessen positiven Effekte oft weitestgehend aus.  Ergo kann es sein, dass eine Wirtschaft als Ganzes zwar wächst im Sinne eines steigenden BIP pro Kopf, tatsächlich aber die positiven Effekte von Wachstum bei großen Teilen der Bevölkerung ausbleiben, weil bei ihnen Wachstum tatsächlich nicht stattfindet.

Als Beispiel hierfür kann die Entwicklung der USA in den letzten Jahrzehnten aufgeführt werden. Auch wenn die USA zwischen 1990 und 2019 insgesamt einen Anstieg des realen BIP pro Kopf von 54,89% erlebte (World Bank Open Data 2023), stagnierte der durchschnittliche reale Stundenlohn für nicht-leitende Angestellte zwischen 1978 und 2018 weitestgehend (vgl. DeSilver 2018). Gleichzeitig zur insgesamten Stagnation bei nicht-leitenden Angestellten, stieg die Vergütung von Führungskräften in dieser Zeit massiv an. So erlebten z.B. die CEOs der 350 größten, börsengelisteten US-Unternehmen von 1978 bis 2021 eine Steigerung ihrer realen Vergütung um 1.460,2% (Bivens & Jori 2022).

Bei genauerer Betrachtung beinhaltet diese Stagnation unterhalb der Führungsebene für manche Teile der Bevölkerung aber auch eine massive Veränderung: Für männliche Angestellte sank das Median-Einkommen in dieser Zeit um rund 10%, während es für weibliche Angestellte in der gleichen Zeit um rund 25% anstieg (vgl. Reeves et al. 2019). Für männliche Angestellte zwischen 25 und 54, die über keinen höheren Bildungsabschluss als den der Highschool verfügen, sank das durchschnittliche reale Einkommen zwischen 1973 und 2015 sogar um 18,2% (Binder & Bound 2019, S. 163).

Während also in den USA während der letzten Jahrzehnte die Produktivität der Wirtschaft insgesamt zunahm und die Wirtschaft insgesamt stark wuchs, so fand Wachstum nicht in allen Teilen der Wirtschaft statt. Die Profite des gesamten Wachstums sind ungleich in der Gesellschaft verteilt worden, sodass nicht alle Teile der Gesellschaft tatsächlich Wachstum erlebten. In der Folge stagnierte aus der Perspektive von großen Teilen der US-amerikanischen Bevölkerung ihre eigene ökonomische Situation; und einige Gruppen, wie männliche Nicht-Akademiker, erlebten sogar eine Erosion ihres Einkommens.

In der Folge stieg in diesen wachstumslosen Teilen der Bevölkerung, wie von den Theorien im vorherigen Abschnitt postuliert, die Unzufriedenheit mit der Demokratie (vgl. Foa et al. 2020, S. 42); und ihre aus der ökonomischen Stagnation und Erosion gespeisten Ressentiments sind einer der Haupttreiber hinter dem Aufstieg des Rechtspopulismus der letzten Jahre (vgl. Komlos 2018, S.4). Unter männlichen Nicht-Akademikern wurde Trump 2016 am häufigsten gewählt (vgl. Jones 2018).

Wenn die positiven Effekte von ökonomischem Wachstum in der ganzen Gesellschaft wirken sollen, ist es essentiell, dass das Wachstum nicht nur auf einer aggregierten Ebene stattfindet, sondern tatsächlich möglichst alle Teile der Bevölkerung an ihm partizipieren. Entsprechend reicht es nicht ausschließlich auf die Steigerung des BIP pro Kopf zu achten, sondern es scheint für eine normative Beurteilung unabdingbar zu analysieren, wie Wachstum in der Gesellschaft verteilt ist.

Staatliche Maßnahmen, wie Transferleistungen oder Investitionen in Soziale Mobilität z.B. durch Bildung, können hier sinnvolle Interventionen darstellen, um eine möglichst breite Verteilung der Früchte und damit der positiven Effekte von Wachstum zu ermöglichen. Hier kann es allerdings auch zu einem hinderlichen Paradox kommen: Da die Akzeptanz für solch eine egalitäre Sozialpolitik, die die Früchte des Wachstums egalitärer verteilt, von dem Vorhandensein von Wachstum gefördert wird, während dessen Abwesenheit eher anti-egalitäre Tendenzen stärkt, können auch hier die in Abschnitt 5.5 beschriebenen vicious circles einsetzen. Dies lässt sich auch in den USA beobachten, wo die Gruppen, die am wenigsten am ökonomischen Wachstum partizipieren, oft überwiegend rechtspopulistische, anti-egalitäre Politik befürworten.

Dies zeigt allerdings auch, dass der von Vertretern des Stationary States oft präferierte ausschließliche Fokus auf die gerechte Verteilung des bestehenden Wohlstandes in der Praxis nicht nachhaltig sein kann. Gesellschaften können nämlich nur durch Wachstum ökonomische Non-Zero-Sum-Games werden, die mit Non-Zero-Sum-Thinking und prosozialen Einstellungen die Grundlage für die Akzeptanz und Umsetzbarkeit von solchen Umverteilungsmaßnahmen schaffen.

Eine der Implikationen der in dieser Arbeit ausgeführten Argumente ist daher, dass die von Vertretern des Stationary State popularisierte Ausklammerung von Wachstum bei Überlegungen über eine möglichst egalitäre Verteilung ein Fehler ist. Zwischen Wachstum und egalitärer Verteilung besteht nicht, wie von Ihnen oft angenommen, ein fundamentaler Antagonismus, sondern die Beziehung ist deutlich komplexer. Beide scheinen sogar zu einem gewissen Grad langfristig komplementär zu sein. Eine Vernachlässigung des Wachstums untergräbt die Möglichkeit von egalitärer Sozialpolitik; während die Vernachlässigung der Verteilungsfrage wiederrum die Grundlagen von Wachstum und seine positiven Effekte untergräbt. Entsprechend scheint es geboten zu sein bei einer konsequentialistischen normativen Beurteilung von Umverteilungsmaßnahmen miteinzubeziehen, wie sich diese aufs ökonomische Wachstum auswirken.

Eine zweite damit verbundene Implikation ist, dass der Fokus von sozialpolitischen Maßnahmen nicht nur auf Verteilung liegen sollten, sondern auch darauf ökonomisches Wachstum möglichst inklusiv zu gestalten. Dies bedeutet in der Praxis zum Beispiel, dass Investitionen in Soziale Mobilität durch Bildungsmaßnahmen, welche es benachteiligten Gruppen ermöglichen leichter in wachsenden Sektoren neue Arbeit zu finden und steigende Einkommen zu erleben, stärker priorisiert werden sollten als bloße monetäre Zuwendungen. Solche Maßnahmen ermöglichen den Betroffenen nämlich nicht nur die in 5.2 diskutierte Steigerung des subjektiven Wohlbefindens durch die relative Verbesserung des sozioökonomischen Status, sie tragen auch zu einem mehr an Wachstum und einer besseren Verteilung von den daraus resultierenden positiven Effekten bei.

6.2 Die richtige Wachstumsrate

Wachstum ist normativ stets relevant und wünschenswert, weil es uns instrumentell hilft eine große Spanne an normativ wünschenswerten Zuständen zu erreichen und zu erhalten, aber bedeutet das, dass wir stets maximales Wachstum als normativ wünschenswert betrachten sollten?

Die Antwort scheint eher Nein zu sein.

Zum einem sind die vom Wachstum herbeigeführten Effekte nicht unbedingt immer auf der ethischen und politischen Agenda an oberster Stelle anzusiedeln. Es ist zum Beispiel anzunehmen, dass ein Land, welches einen Verteidigungskrieg gegen einen genozidalen Invasor führt, kurzfristig andere Prioritäten hat als den langfristigen Erhalt seiner demokratischen Institutionen durch eine positive Wachstumsrate. Zum anderen riskiert ein undifferenziertes Streben nach maximalem Wachstum dessen positiven Effekte zu kannibalisieren, da insbesondere ein exzessiv schnelles und qualitativ unnachhaltiges Wachstum negative Externalitäten erzeugen kann. Im Hinblick darauf scheint eine moderate Wachstumsrate, die die positiven Effekte des Wachstums steigert, aber durch eine Abwägung von diversen Faktoren einen schädlichen Exzess vermeidet, oft normativ wünschenswerter zu sein als die theoretisch maximal mögliche. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem:

  1. Kreative Zerstörung. Höhere Wachstumsraten werden ermöglicht durch höhere Raten von Kreativer Zerstörung, die wiederrum durch Investitionen in Innovation ermöglicht wird. Hohe Raten von Kreativer Zerstörung erzeugen jedoch Stress und gesundheitliche Schäden induzierende negative Externalitäten in Form von ökonomischer Volatilität, Arbeitslosigkeit und zunehmender sozioökonomischer Ungleichheit. Diese negativen Externalitäten können kurzfristig die positiven Effekte von Wachstum überwiegen und langfristig die institutionellen Grundlagen von Wachstum aushöhlen. Entsprechend ist es sinnvoll in Maßnahmen wie Soziale Sicherungssysteme zu investieren, die diese negativen Externalitäten von Kreativer Zerstörung abschwächen – auch wenn dadurch das für Investitionen in Innovation verfügbare Kapital und damit perspektivisch die Wachstumsrate sinkt. Ein Beispiel für einen, einigen Autoren zufolge, gelungenen Ausgleich zwischen der Maximierung von Wachstum und der zeitgleichen Reduktion dieser Externalitäten, stellt dabei Dänemark dar. In den 1990ern führte die dänische Regierung zeitgleich mit einer wachstumsstimulierenden Deregulierung des Arbeitsmarkts, eine umfangreiche Arbeitslosenversicherung ein. Letztere beseitigte in Dänemark empirischen Studien zufolge vollständig den negativen Effekt von Arbeitslosigkeit und Insolvenzen auf die Gesundheit und Mortalitätsrate, welcher in anderen Staaten ohne solcher umfangreichen sozialen Sicherungssysteme wie z.B. den USA, stark ausgeprägt ist (vgl. Aghion 2023, S. 218 – 222).
  2. Ungleichheit. Um zumindest kurzfristig ein möglichst hohes aggregiertes Wachstum zu erreichen, wäre es notwendig, hohe Ungleichheit in der Gesellschaft zu akzeptieren – oder sogar, das Vermögen von den Armen zu enteignen und an die Reichen umzuverteilen. Tyler Cowen illustriert dies anhand eines Gedankenexperiments (vgl. Cowen 2018, S.89): Da Reiche in der Regel über mehr Möglichkeiten verfügen, Kapital möglichst effizient in wachstumstreibende Unternehmen zu investieren und daher höhere Rendite erwirtschaften können, könnte solch eine Umverteilung die Wachstumsrate massiv erhöhen. Angenommen z.B. die Kapitalrendite der Reichen läge bei 8% und die der Armen bei 1%, und 20% der Rendite der Reichen würde durch die positiven Effekte des Wachstums zu den Armen hinunterrieseln, so wäre es aus utilitaristischer Sicht und um das Wachstum zu maximieren, geboten, das Vermögen der Armen an die Reichen umzuverteilen, da so die Armen im Endeffekt eine Rendite von 1.6% abbekommen würden und das aggregierte Wachstum höher wäre.

Solch eine anti-egalitäre Umverteilung von Arm zu Reich, selbst wenn sie am Ende einen positiven Effekt durch die Steigerung der Wohlfahrt der Armen hätte, ist aus mehreren Gründen abzulehnen:

Zum einem hat hohe Ungleichheit viele negative Effekte, wie z.B. sinkende Soziale Mobilität und die Förderung von destruktiven Ressentiments, welche langfristig auch die positiven Effekte von Wachstum sowie dessen sozialen und institutionellen Grundlagen zerstören können. Kurzfristig kann hohe Ungleichheit also die Wachstumsrate steigern, langfristig jedoch scheinen Gleichheit und Wachstum zu einem gewissen Grad komplementär zu sein, wie bereits in 6.1. beschrieben.

Zum anderen, wie Cowen selbst schreibt, würde solch eine Umverteilung einen inakzeptablen Eingriff in die Menschenrechte, vor allem die Eigentumsrechte, darstellen (vgl. Cown 2018, S.90).

  1. Menschenrechte. Auch wenn über ihre philosophische Begründung und ihren konkreten Umfang oft Uneinigkeit herrscht, besteht diversen Umfragen zufolge ein großer Konsens bei dem Großteil der Weltbevölkerung darüber, dass Menschenrechte wichtig sind und die UN diese fördern sollte (vgl. Nickel 2019). Nach Robert Nozick fungieren Rechte, das kantische Prinzip vom Menschen als Selbstzweck reflektierend, als Einschränkungen der Handlungen, derer wir uns für das Erreichen unserer Ziele bedienen dürfen (vgl. Nozick 2013, S.30). Entsprechend sollten wir nicht versuchen das Wachstum zu maximieren durch Methoden, die Menschenrechte verletzen. Tatsächlich stellt der Erhalt von Menschenrechten und langfristigen ökonomischen Wachstum in der Praxis jedoch selten einen tatsächlichen Widerspruch dar. Auch wenn historisch einige Gesellschaften, wie zum Beispiel die Sowjetunion im Zuge der Stalinistischen Industrialisierungspolitik, mittelfristige Steigerungen der Wachstumsrate mit menschenrechtsverletzenden Maßnahmen erreichen konnten (vgl. Hunter 1973, S. 242 – 245); zeigt die empirische Fachliteratur immer wieder, dass langfristig die Einhaltung von Menschenrechten positiv mit Wirtschaftswachstum korreliert ist (vgl. The Danish Institute For Human Rights 2018). Autoritäre und die Menschenrechte missachtende Staatsordnungen scheinen in der Regel eher nur kurzfristig die Wachstumsrate steigern zu können, aber langfristig Wachstum zu hemmen. Dies ließ sich auch bei der Sowjetunion beobachten: Auf den Wachstumsboom der Stalinistischen Industrialisierung und der Nachkriegszeit, folgte ein mehrere Jahrzehnte anhaltendes, relativ niedriges Wachstum, das durchsetzt war von Phasen der Stagnation (vgl. Hanson 2016, S. 242 – 248), die schließlich im Kollaps der UdSSR mündeten. Ein ähnliches Beispiel bietet die autoritäre Volksrepublik China, die bisher weniger Wachstum erlebte als die demokratische Republik China auf Taiwan, deren BIP pro Kopf doppelt so hoch ist (Maddison Project Database 2020; CEIC 2023).
  2. Qualität des Wachstums. Es gibt qualitative Unterschiede beim Wachstum, die vom BIP nicht erfasst werden. Je nachdem durch welche Inputs Wachstum vorangetrieben wird, verändert sich vor allem die Art und Quantität der dabei entstehenden negativen Externalitäten. Ein Wachstum, welches durch eine Steigerung der Arbeitszeiten oder des Ressourcenverbrauchs entsteht, erscheint weniger erstrebenswert als eins durch technologische Innovation. Aber auch bei Wachstum durch Technologie gibt es qualitative Unterschiede: So wurde z.B. im 19. und 20. Jahrhundert global Wachstum stark von Technologien angetrieben, die mit hohen ökologischen Externalitäten einhergehen. Dieser Trend hat sich in entwickelten Staaten mittlerweile umgekehrt, sodass Wachstum dort zunehmend von grünen, emissionsärmeren Innovationen angetrieben wird (vgl. Ritchie 2021). In vielen Entwicklungsländern wird allerdings Wachstum noch immer von emissionsstarken Technologien vorangetrieben, was unter anderem daran liegt, dass diese Länder oft durch Patente und fehlendes Fachwissen vor Ort daran gehindert werden neuere, nachhaltigere Technologien direkt zu implementieren (vgl. Bonnet et al. 2018, S. 17, 36). Ein Transfer von grünen Innovationen aus den wohlhabenderen Staaten könnte somit die Qualität des Wachstums in vielen Entwicklungsländern signifikant verbessern.

Doch auch in entwickelten Staaten bestehen noch viele Potentiale die ökologische Qualität des Wachstums zu verbessern, deren Realisierung dabei sogar unter gewissen Umständen als sekundären Effekt die Wachstumsrate steigern könnte. Ein Beispiel dafür sind politische Maßnahmen, die die Kreative Zerstörung von nicht nachhaltigen Sektoren beschleunigen, wie z.B. Verbote von Technologien mit hohen Emissionen oder Co2-Preise. In welche Forschung und Entwicklung Unternehmen ihr Kapital auf der Suche nach neuen, wachstumstreibenden Innovationen investieren, wird nämlich stark von Pfadabhängigkeiten beeinflusst. Unternehmen, die bereits in einem bestimmten Bereich, wie z.B. Verbrennungsmotoren, durch Patente und bestehende Produktionskapazitäten über einen Wettbewerbsvorteil verfügen, haben stärkere Anreize weiter in diesen Bereich zu investieren als in einen neuen, wie z.B. Elektromotoren (vgl. Aghion 2023, S.69).

In solchen Fällen fungiert die Angst vor Kreativer Zerstörung bei etablierten Unternehmen und politischen Institutionen oft als ein Hemmnis nachhaltigere Technologien zu implementieren – und Maßnahmen, die dieser Angst trotzend Pfadabhängigkeiten brechen und Anreize für nachhaltigere Innovationen setzen, können die Qualität des Wachstums verbessern und perspektivisch auch die Wachstumsrate steigern (vgl. Aghion 2023, S. 192). Selbst wenn diese Maßnahmen aber keinen oder sogar einen negativen Effekt auf die Wachstumsrate haben, scheint eine qualitative Verbesserung des Wachstums unter gewissen Umständen einer quantitativen Maximierung vorzuziehen sein.

  1. Existenzielle Risiken. Wie in Abschnitt 5.4 dargestellt, trägt ökonomisches Wachstum langfristig zu einer Reduktion von existenziellen Risiken bei, allerdings betrifft dies nicht alle Risiken. Gewisse anthropogene Risiken, die von Innovation ausgehen, können nämlich kurz- und mittelfristig durch Wachstum steigen. Innovation und ökonomisches Wachstum können zum Beispiel dazu führen, dass die Herstellung von Massenvernichtungswaffen wie Nuklearwaffen oder biologischen Kampfstoffen, nicht nur überhaupt möglich, sondern auch mit der Zeit immer günstiger wird, sodass ihre Proliferation und damit das Risiko einer gewollten oder ungewollten Freisetzung steigt (vgl. Ord 2020, S. 122). Andere technologische Innovationen, wie zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz, könnten ebenso bei einer zu schnellen Implementierung, existenzielle Risiken erzeugen, die vermeidbar wären bei einer langsameren Implementierung (vgl. Ord 2020, S.152). In Hinblick auf solche durch Technologie entstehenden Risiken kann es unter Umständen gerechtfertigt sein die technologische Innovationsrate und damit ökonomisches Wachstum durch selektive Eingriffe in die Forschungsfreiheit temporär zu verlangsamen, um politischen Institutionen genug Zeit zu geben Gegenmaßnahmen zu entwickeln, die die Risiken wieder reduzieren (vgl. Ord 2020, S.206).
  2. Zukünftiges Wachstum. Historisch betrachtet sind politische Bestrebungen, die Wachstum um jeden Preis kurzfristig zu maximieren versuchen, oft sowohl ökonomisch als auch politisch instabil, und ebnen langfristig den Weg zurück zur Stagnation (vgl. Cowen 2018, S.30). Im Hinblick auf die Zukunft, und insbesondere zukünftige Generationen, scheint es moralisch geboten sein Wachstum so zu gestalten, dass es nachhaltig ist und zukünftiges Wachstum nicht kannibalisiert. Der Vorteil, wenn wir uns als normatives Ziel den Erhalt von zukünftigem Wachstum setzen, ist, dass dieses Ziel auch viele der anderen in diesem Abschnitt diskutierten Faktoren in sich integrieren kann. Menschenrechtsverletzungen, existenzielle Katastrophen, Steigerungen der Moralitätsrate durch exzessive Kreative Zerstörung und ökologische Externalitäten, haben alle in der Regel den langfristigen Effekt die Bedingungen von Wachstum zu schädigen und damit zukünftiges Wachstum zu reduzieren.
  3. Wert der Zukunft. Wie stark wir ökonomisches Wachstum priorisieren, hängt wesentlich davon ab, welchem Wert wir der Zukunft zuschreiben, und damit welche discount rate wir ansetzen, wenn wir gegenwärtige und zukünftige Kosten und Gewinne gegeneinander aufwiegen (vgl. Cowen 2018, S.64). Dies wird vor allem offensichtlich, wenn es darum geht langfristige Wohlfahrtsverbesserungen durch Wachstum gegen kurzfristige Verbesserungen durch distributive Maßnahmen abzuwägen. Wenn zum Beispiel morgen die Welt untergehen und damit der Wert der Zukunft bei 0 liegen würde, wäre es sinnlos in Wachstum zu investieren und stattdessen könnte sämtliches Vermögen der Welt zugunsten einer globalen Abschiedsparty umverteilt werden (vgl. Cowen 2018, S.84). Wenn wir jedoch der Zukunft den gleichen Wert wie der Gegenwart zuschreiben und davon ausgehen, dass die Menschheit noch lange existieren wird, machen Umverteilungsmaßnahmen in der Gegenwart nur bis zu dem Punkt Sinn, an welchem sie Wachstum nicht schaden, weil die zukünftigen Wohlfahrtsgewinne durch höheres Wachstum die Verluste der Gegenwart übertrumpfen (vgl. Cowen 2018, S.81, 93 – 94).

Zusammenfasst lässt sich argumentiert, dass aufgrund dieser Faktoren Wachstum zwar prinzipiell normativ wünschenswert ist – in der Praxis allerdings die Frage nach der konkreten Art des Wachstums gestellt werden muss, da nicht alle Arten gleich wünschenswert zu sein scheinen. Wachstum ohne Rücksicht auf Faktoren wie den Grad seiner Inklusion und seine Qualität anzustreben, kann ansonsten dazu führen, dass dessen positiven Effekte von negativen Externalitäten kannibalisiert werden. Wie historische Erfahrungen zeigen, ist die Reduktion solcher negativen Externalitäten jedoch mithilfe politischer Regulierungen möglich und oft sogar langfristig wachstumsfördernd.

6.3 Postmaterialistische Werte und Rudimente einer Zero-Sum-Welt

Konventionelle und traditionelle Moralvorstellungen betonen häufig, dass diverse postmaterialistische Werte und Einstellungen wichtiger sein sollten als ökonomische Errungenschaften und die mit Wachstum verknüpfte Akkumulation von Vermögen. Je nach Auslegung und Position umfassen diese postmaterialistischen Werte dabei eine große Bandbreite an nicht-materiellen Aspekten, von Religiosität bis hin zu säkularen wie Altruismus, ökologisches Bewusstsein, Gerechtigkeit, Solidarität, Selbstverwirklichung und weiteren. Ein zu großer materieller Wohlstand oder schon das Streben danach, wird dabei oft als ein Hindernis betrachtet, welches von der Realisierung solcher Werte ablenken kann. Entsprechende Aufforderungen und Mahnungen lassen sich zum Beispiel sowohl im Alten Testament (siehe z.B. Lutherbibel 2017, Pred 5,11, oder Spr 11,28) als auch im Neuen Testament (siehe z.B. Lutherbibel 2017, Mt 6:19 – 20, oder Mk 10:25), sowie im Koran (siehe z.B. Koran 2021, 18:47) finden. Oft gehen diese religiösen Ideen, insbesondere im Christentum, damit einher, dass materieller Wohlstand, wenn er überhaupt erreicht werden sollte, dann nur als eine sekundäre Belohnung für moralisch richtiges Verhalten nach diesen Werten (siehe z.B. Lutherbibel 2017, Dt 11:13–15). Diese Vorstellungen tauchen aber auch in den Werken von vermeintlich säkularen Philosophen wie Rawls auf, der z.B. in A Theory of Justice schreibt, Wohlstand wäre ab einem gewissen Punkt für das Erreichen von Gerechtigkeit „a meaningless distraction at best if not a temptation to indulgence and emptiness“ (vgl. Rawls 2005, S.290), wobei er dies nicht weiter begründet.

Wie in 5.1 angeschnitten, gehen Vertreter des Stationary State Paradigmas oft davon aus, dass solche Moralvorstellungen sich in einem Stationary State besser entfalten könnten und auch ab einem gewissen Wohlstandsniveau den Übergang zu diesem State fördern würden. Aus Sicht dieser Vorstellungen, könnte ein Einwand gegen die Argumente dieser Arbeit sein, dass die von ihr ausgearbeiteten positiven Effekte von Wachstum davon abhängig sind, dass die meisten Menschen ihrem ökonomischen Status zurzeit einen überproportional hohen Wert zuschreiben – es wäre jedoch normativ wünschenswerter, dass Menschen dies nicht mehr tun würden, sondern stattdessen stärker postmaterialistische Werte adoptieren würden. Würden sie das tun, wäre ihre Wohlbefinden weniger von ihrem ökonomischen Status abhängig und Wachstum wäre dann nicht mehr so relevant.

Gegen diesen Einwand lassen sich mehrere Argumente vorbringen:

  1. Zum einem, der bereits in Abschnitt 6.1 vorgebrachte Einwand, dass gewisse psychologische Mechanismen, durch die Menschen in der Regel ihrem relativen sozioökonomischen Status einen hohen Wert zuschreiben lassen, eine evolutionäre und neurologische Grundlage haben (vgl. Koski et al. 2015), also der menschlichen Natur inhärent sind, sodass solch ein Wertwandel wenig plausibel scheint. Historische Versuche solch einen Wertwandel zu forcieren, scheiterten bisher. Als Beispiel dafür lässt sich das Konzept des Neuen Sowjetmenschen aufführen, oder die Tatsache, dass selbst Theokratien wie die Islamische Republik im Iran die gleichen Korrelationen zwischen ökonomischen Wohlstand und Lebenszufriedenheit aufweisen wie andere Staaten (Ortiz-Ospina & Roser 2017).
  2. Selbst wenn Menschen ihrem sozioökonomischen Status keinen Wert mehr zuschreiben würden, könnte dies lediglich die positiven Effekte von Wachstum auf das Erzeugen von Non-Zero-Sumness, inklusive Institutionen und die relative Zufriedenheit aufheben. Die positiven Effekte von Wachstum auf die objektive Verbesserung des Lebens und die Reduktion existenzieller Risiken würden jedoch bestehen bleiben, da diese im Großen und Ganzen unabhängig davon zu sein scheinen, ob Menschen nun materialistische oder postmaterialistische Werte haben. Wachstum wäre damit weiterhin stets normativ relevant, wenn auch weniger stark.
  3. Das gewichtigste Argument, das zugleich die größten Implikationen für die Praktische Philosophie insgesamt hat, ist, dass die diesen Einwänden zugrundeliegenden Intuitionen schlicht falsch sind. Entgegen der Vorstellung, dass ökonomischer Wohlstand schädlich für die Verwirklichung postmaterialistischer Werte sei, sind Wachstum und Wohlstand für diese meistens förderlich.

Wenn man wie in Abschnitt 5.5 die Menschheitsgeschichte betrachtet und ihrem durch Wachstum ermöglichten Wandel von ausbeuterischen, exkludierenden Institutionen hin zu zunehmend altruistischen und egalitären Gesellschaften, so scheint die Wirklichkeit entgegen dieser Intuitionen nämlich umgekehrt zu sein: Wachstum und Wohlstand ermöglichen gerade erst die Verwirklichung von diversen postmaterialistischen Werten, wie z.B. Altruismus und Egalitarismus. Erst wenn Menschen sich durch konstantes Wachstum und ein hohes Wohlstandsniveau in ihren ökonomischen Status gesichert fühlen, priorisieren sie diesen weniger und wenden sie sich der Verwirklichung postmaterialistischer Werte zu, werden toleranter und offener gegenüber anderen Menschen und Ideen. Zeitgleich bieten ihnen die durch Wachstum ermöglichten objektiven Verbesserungen ihres Lebens mehr Möglichkeiten dies zu tun. Sobald jedoch die ökonomischen Bedingungen stagnieren oder erodieren, widmen sich Menschen wieder verstärkt materialistischen Werten und der Verteidigung ihres ökonomischen Status. Dies zeigt sich auch in empirischen Studien, laut denen die Wertschätzung von postmaterialistischen Werten wie Freiheiten, Lebensqualität, Sozialität und Selbstverwirklichung in Zeiten von ökonomischem Wachstum in Gesellschaften steigt, aber in Zeiten von Stagnation oder Rezession wieder sinkt (vgl. Inglehart 2018, S.29). Die Ausnahme stellt die Religiosität dar, die mit steigendem Wohlstand verschwindet – wobei laut den gleichen Studien die Menschen in ärmeren, religiösen Staaten in ihren Wertvorstellungen insgesamt dennoch materialistischer sind als die Menschen in wohlhabenden, säkularisierten Ländern (vgl. ebd. S.26, 33).

Wenn das Ziel die größtmögliche Verwirklichung postmaterialistischer Werte und die Etablierung gerechter Gesellschaften ist, so bietet nicht der Stationary State die besten Bedingungen dafür, sondern demnach eine inklusiv wachsende Wirtschaft.

Wenn dies aber der Fall ist, warum verleiten gängige Intuitionen – wie sie in religiösen Texten und den Werken vieler Philosophen explizit gemacht werden – darauf, dass Wachstum und Wohlstand schädlich für das Erreichen von postmaterialistischen Werten und gerechten Gesellschaften wären?

Auch wenn die detaillierte Ausarbeitung dieser Intuitionen und ihrer Gründe über den Rahmen dieser Arbeit hinausgeht, weisen die bisherigen Ausführungen zumindest auf eine mögliche Erklärung hin:

Wie in den Abschnitten 3.1 und 5.5. ausgearbeitet, lebte die Menschheit während des Großteils ihrer Geschichte in weitestgehender Stagnation. Insbesondere die Agrargesellschaften, in welchem die noch unsere heutigen moralischen Intuitionen stark beeinflussenden Religionen wie z.B. das Christentum oder der Islam entstanden, waren daher von Zero-Sum-Thinking geprägt (vgl. Foster 1965, S.67).

In solchen Gesellschaften war die Verbesserung des eigenen ökonomischen Status oft nur auf Kosten anderer möglichen – und der breiten Masse aufgrund der starken sozialen Stratifizierung durch Institutionen wie den Adel meist nicht zugänglich. Wer in solchen Gesellschaften versuchte Wohlstand zu akkumulieren, schadete dabei oft seinen Mitmenschen und zog Ressentiments auf sich, wodurch Anreize entstanden solche Versuche durch moralische Verurteilung zu unterbinden. Die Dogmen von antiken Religionen, wie dem frühen Christentum, welche die Akkumulation von Wohlstand verurteilen und die Menschen mahnen sich stärker einem jenseitigen Leben zu widmen, können demnach als Strategien gedeutet werden, sozialschädliches Verhalten in einem Zero-Sum-Game zu reduzieren.

Diese Erklärung scheint weitestgehend kompatibel mit Friedrich Nietzsches Genealogie der Moral zu sein, laut der viele christliche Werte aus einer von Ressentiments gespeisten psychologischen Inversion entstanden, die die Not des Nicht-Könnens zu einer Tugend-des-Nicht-Wollens umformte (vgl. Nietzsche 2018, S. 281). Aus der Not kein signifikantes ökonomisches Wachstum erreichen zu können, erwuchs demnach ein moralisches Sentiment, welches den Wert des Ökonomischen herunterspielt und zum Selbstschutz jene verurteilt, die versuchen ökonomisch voranzukommen. Das Problem an diesem Sentiment ist jedoch, dass es sowohl hinderlich für das Erreichen von Wachstum zu sein scheint als auch inadäquat für das Agieren in einer Non-Zero-Sum-Wirtschaft.

Entsprechend setzte die von Europa ausgehende Phase des signifikanten globalen Wachstums, in der wir hier heute noch leben, erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein, nachdem die Aufklärung und Reformbewegungen innerhalb des Christentums einer zunehmenden Kritik und Emanzipation von solchen religiös tradierten Sentiments den Weg bereitet hatten (vgl. Friedman 2011, S.10).

Ungeachtet dessen, ob diese Erklärung nun die Genese der wohlstands- und wachstumsskeptischen Intuitionen vollständig erfasst, scheint es plausibel anzunehmen, dass diese Intuitionen in irgendeiner Form als Adaptionen an eine Zero-Sum-Welt entstanden sind. Ähnlich wie der in 3.1 diskutierte Exponential Growth Bias oder der in 5.3 erwähnte Status Quo Bias, stellen sie damit vermutlich Rudimente aus der wachstumslosen Vergangenheit der Menscheit in unserem Denken dar, welche es uns oft erschweren das Phänomen des ökonomischen Wachstums adäquat zu verstehen, dessen normativen Wert einzuschätzen und folglich dieses zu erreichen. Dies könnte auch den in Abschnitt 3.2 ausgearbeiteten großen Einfluss des Stationary State Paradigmas in der Philosophie erklären.

Eine der Implikationen der Ergebnisse dieser Arbeit ist daher, dass es eine relevante Forschungsfrage sein könnte, wo noch im konventionellen moralischen Denken oder dem Mainstream der Politischen Philosophie sich ähnliche Vorstellungen und Denkweisen finden lassen, die vermutlich als Adaptionen an eine wachstumslose Welt entstanden sind, aber für die Existenz in und die Schaffung von wachsenden Wirtschaften möglicherweise hinderlich sind.

7.    Schluss

Entgegen der durch das Stationary State Paradigma in der Politischen Philosophie weiterverbreiteten Vorstellung, dass ökonomisches Wachstum normativ weder relevant noch erstrebenswert sei, verweisen die in dieser Arbeit aufgezeigten Argumente darauf, dass das Gegenteil der Fall ist.

Ökonomisches Wachstum hat einen signifikanten Einfluss auf eine Vielzahl von normativ relevanten gesellschaftlichen Zuständen und Zielen. Wachstum geht einher mit der Steigerung und Aufrechterhaltung von subjektivem Wohlbefinden sowie der objektiven Lebensqualität. Es hilft langfristig existenzielle Risiken zu reduzieren. Vor allem aber ermöglicht nur Wachstum es einer Gesellschaft ein ökonomisches Non-Zero-Sum-Game zu sein, was sich positiv auf die Etablierung und Stabilität von inklusiven Institutionen wie Demokratien sowie auf die Verbreitung von prosozialen Einstellungen auswirkt. Eine dauerhafte Unterdrückung von Wachstum wäre durch diese enge Beziehung mit inklusiven Institutionen nur durch Maßnahmen möglich, die moralisch verwerflich sind.

Das Vorhandsein von ökonomischem Wachstum in einer Gesellschaft ist damit prinzipiell normativ wünschenswert, allerdings gilt dies nur mit gewissen Einschränkungen. Damit die positiven Effekte von Wachstum sich tatsächlich entfalten können, müssen vor allem zwei Bedingungen gegeben sein:

Wachstum muss zum einem möglichst inklusiv sein, also nicht nur aggregiert, sondern gesamtgesellschaftlich stattfinden. Des Weiteren muss es qualitativ so beschaffen sein, dass mögliche negative Externalitäten nicht die positiven Effekte überwiegen – etwas, was durch die richtige Regulierung und Sozialpolitik sichergestellt werden kann.

Erschwert wird dies in der Praxis jedoch dadurch, dass konventionelle Operationalisierungen von ökonomischem Wachstum, wie das BIP pro Kopf, dessen Qualität und Inklusionsgrad nicht abbilden, sodass eine differenziertere Analyse dieser Aspekte notwendig ist. Des Weiteren dadurch, dass vicious circles eintreten können, bei denen das Ausbleiben von Wachstum auch die Schaffung von wachstumsfördernden Bedingungen und ausgleichenden Maßnahmen untergräbt.

Dass ökonomisches Wachstum als Faktor bei normativen Überlegungen in der Politischen Philosophie so oft unterschätzt und vernachlässigt wird, lässt sich vermutlich vor allem auf zwei Gründe zurückführen: Zum einem basieren viele der weitverbreiteten Prämissen über die Natur des ökonomischen Wachstums auf veralteten Theorien, die aus Sicht aktuellerer Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften und der Endogene Wachstumstheorie als falsch einzuordnen sind. Des Weiteren war der Großteil der Menschheitsgeschichte durch die Abwesenheit von signifikantem ökonomischem Wachstum geprägt, sodass tradierte Intuitionen und anachronistische Denkmuster es oft erschweren dieses adäquat zu verstehen und in seiner normativen Relevanz einzuordnen.

Zusammenfassend lässt sich argumentieren, dass in der Politischen Philosophie ökonomischen Wachstum eine größere Aufmerksamkeit zukommen sollte, als dies bisher der Fall ist. Ökonomisches Wachstum ist nämlich nicht, wie häufig angenommen, schädlich oder irrelevant für die Moralität einer Gesellschaft. Vor allem so lange Wachstum inklusiv und qualitativ nachhaltig ist, hat es eine Reihe von normativ wünschenswerten Effekten, die sich kaum oder gar nicht anders erreichen lassen, und damit ein große normative Bedeutung. Es bildet so eine der unverzichtbaren Grundlagen für die Entstehung und den Erhalt von Demokratie und Prosozialität.


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[1] Eine ähnliche Ausführung findet sich bereits in meiner Seminararbeit „Klimakrise, Degrowth und die Grenzen des Wachstums: Warum wir mehr und nicht weniger Wachstum brauchen“ (2022)


Bachelorarbeit am Lehrstuhl IV: Politische Philosophie

Die normative Bedeutung von ökonomischem Wachstum von Nikodem Jan Skrobisz

Betreuer: Dr. Matthias Brinkmann

Studiengang: Philosophie,  Bachelor of Arts

Ludwig-Maximilians-Universität München

Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft

Sommersemester 2023

Note: 1,0 (Disputation) / 1,0 (Arbeit)


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Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

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