28. April 2024
Romane

Das Gift der Pirws – Prolog

Einst, vor langer Zeit, auf einem fernen Planeten namens Los, noch bevor die ersten Menschen auf der Erde wandelten, gab es einst eine Stadt, die gegründet, bewohnt und schließlich vernichtet wurde von intelligenten Wesen, die sich selbst Pirws nannten. Sie waren tatsächlich uns Menschen gar nicht unähnlich – ihre Statur war etwas kleiner, aber sie gingen auf zwei Beinen, hatten Daumen, fünf Finger, ein dünnes Fell, zwei runde Augen und große Schädel. Sie lebten anfangs, den später auf der Erde erschienen Primaten sehr ähnlich, in kleinen Rudeln, kletterten über die Vegetation der Steppe ihres Planeten, jagten, töten und fraßen kleinere Tiere und Pflanzen. Im Grunde waren sie bis auf einige kosmetische und genetische Abweichungen, wie wir Menschen – lediglich ihre Haare waren zum Beispiel im Sommer grün und wurden im Winter braun, ihre Gehirne waren etwas größer, ihre Intelligenz im Schnitt ein wenig höher, sie lebten etwas länger, aber ansonsten, ja, waren sie im Wesentlichen wie wir, nur dass sie schon lange vor uns lebten.

Die Pirws wanderten schon durch die Wälder ihres Planeten Los und setzten ihre Steppen in Flammen, als auf der Erde noch die höchste Lebensform der Quastenflosser war, und sie waren schon wieder ausgestorben, bevor auf der Erde der erste Dinosaurier aus seinem Ei schlüpfte. Würden wir heute mit einem Raumschiff Los erreichen und erkunden können, würden wir auf den ersten Blick keine Spur der Pirws oder irgendwelcher anderen Lebensformen mehr entdecken. Der Planet besteht aus einer einzigen kalten Steinwüste seitdem vor rund fünf Millionen Jahren ein Gammablitz seine Oberfläche verbrannte. Erst wenn wir dort landen und tief graben würden, würden wir irgendwann auf Fossilien und dann auf unterirdische Seen stoßen, in welchen noch einige Bakterien leben und sich von Schwefelquellen ernähren. Aber von den Pirws würden wir nichts finden, denn die waren schon lange vor dem Gammablitz ausgestorben; und als der Blitz den Planeten traf, waren die Spuren ihrer Zivilisation schon längst von den Sedimenten mehrer Eiszeiten begraben worden.

Wir müssten noch tiefer, viel tiefer im urzeitlichen Gestein graben, dann würden wir vielleicht mit etwas Glück einige fossilisierte Pirwsskelette finden und uns wundern, dass sie menschlichen Gebeinen so ähnlich sind. Aber nichts würden uns verraten, dass die Pirws einst eine Sprache, eine Kultur oder gar eine Zivilisation, Technologien und eine Stadt und einige Dörfer hatten. Mit äußersten Glück würden vielleicht bei tiefen Grabungen an der richtigen Stelle, etwas nördlich vom Äquator, in den Jahrmillionen alten Boden einige hauchdünne Sedimentschichten finden. Es wären nur ein paar unscheinbare, feine Linien aus Graphit im Stein – unsere menschlichen Geologen würden sie vermutlich als das unspektakuläre Ergebnis eines kleineren Vulkanausbruchs vor einigen hundert Millionen Jahren abtun. Tatsächlich aber sind diese feinen Sedimentlinien das einzige, was von der einstigen Zivilisation der Pirws übriggeblieben ist, oder genauer von ihrer einzigen, jemals gegründeten Stadt Nadzia. Und von dieser Stadt – von ihrer Gründung, ihrer Blüte und von ihrem Untergang, soll unsere Geschichte handeln.

Dafür begeben wir uns nun ungefähr 400 Millionen Jahre1 in die Vergangenheit, zu jenen drei Pirws namens Pik, Siln und Najmad, die unter ihren Mitpirws als die Edlen Drei bekannt wurden und Nadzia gründeten – und zu jenem Pirw namens Zazdr, ohne dem die Stadt weder entstanden noch gefallen wäre.


1Es sind eigentlich ein paar tausend Jahre, Monate und Tage mehr. Genau genommen sind es 400.135.520 Jahre und sieben Tage seit dem Tag, an dem die Geschichte von Nadzia begann, während ich diese Zeilen aufschreibe, aber so genaue Zeitangaben verlieren in der Geschichte des Universums ihre Bedeutung. Es mag etwas sonderbar scheinen, aber die gesamte bisherige Geschichte der Menschheit passt aus einer kosmischen Perspektive in einen Rundungsfehler und sie ist nur rund neuntausend kurze Jahre (oder: etwa 0,0022% der Zeit zwischen heute und dem Beginn der Geschichte) länger als die der Pirws.


Dies ist der Prolog zu einem philosophischen Kurzroman, an welchem ich aktuell schreibe, und den ich beabsichtige im Laufe des Jahres 2024 fertigzustellen und einem Verlag anzubieten, wobei das angesichts meiner anderen literarischen Projekte v.a. die Sommeranthologie und das große Werk namens Metanoia, sowie beruflicher und akademischer Verpflichtungen, natürlich wie immer keine Garantie ist.


Wenn dich dieser Prolog unterhalten hat, dann würde es mich freuen, wenn du mir einen Kaffee spendieren würdest. ? Der Kaffeetreibstoff beschleunigt meinen Schreibprozess sowohl bei meinen Artikeln als auch bei meinen Romanen.
Kaffee spendieren via Ko-Fi

Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner