19. April 2024
CC BY-SA HIPF Marburg
Interview

Kratom und Interdisziplinäre Psychedelische Forschung – Dirk Netter im Interview

Vor kurzem erschien beim in der Psychonautikszene bekannten Nachtschatten Verlag das Sachbuch „Kratom – Ethnobotanik, Anwendung, Kultur“ von Dirk Netter, welches als „erste seriöse Publikation zu dieser psychoaktiven Pflanze“ beworben wird. Nun, das erste deutschsprachige Sachbuch über Kratom erschien allerdings tatsächlich vor über drei Jahren und wurde von niemand geringeren als mir selbst verfasst. Ich wollte damit meinen Beitrag zur Aufklärung über die damals gerade bekannter werdende Substanz liefern. Das neue Kratombuch des Nachtschatten Verlags ist allerdings tatsächlich deutlich professioneller und umfangreicher, als das Büchlein, welches ich mit 16/17 Jahren als Amateur verfasste. Aus diesen Gründen habe ich nun auch den Vertrag meines Buches gekündigt, da seine Existenz mit dem Erscheinen des deutlich ausführlicheren und aktuelleren Kratombuchs zum Zweck der Aufklärung redundant wird. Im Laufe des kommenden Jahres wird es damit nach Ablauf der Vertragslaufzeit aus dem Handel verschwinden und ich empfehle Kratominteressierten stattdessen das Kratombuch von Dirk Netter zu kaufen. Da ich mich mit Kratom schon seit einiger Zeit nicht viel beschäftigt habe, aber es einige interessante Entwicklungen in diesem Bereich gibt und Dirk Netter auch neben dem Kratombuch einige andere spannende Projekte im Bereich der Psychonautik betreibt, habe ich ihn zu einem spannenden Interview geladen.

Vielen Dank Dirk, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Stell dich mal vor: Was ist dein Hintergrund, deine Ausbildung und wie bist du dazu gekommen dich mit Kratom zu beschäftigen und dann ein Buch darüber zu schreiben?

Vielleicht gleich einmal zum Anfang: Du hast richtigerweise oben gesagt, dass die erste Publikation von Dir stammt. Das ist natürlich korrekt und sollte dementsprechend gewürdigt werden. Die Formulierung „erste seriöse Publikation“ wirkt im Hinblick auf dein Buch ein wenig herabsetzend, tatsächlich war dies jedoch nicht als Abwertung gemeint. Wir distanzieren uns damit von anonymen Blog- und Social Media-Artikeln u.Ä. – dein Buch war in meinem Verständnis nicht gemeint.

Kratomjungpflanzen (CC BY-SA Dirk Netter)

Fragen nach dem persönlichen Hintergrund laden Autoren ja gerne dazu ein das zu machen was sie gerne tun: Ganz viel zu schreiben. Aber ich versuche mich auf das Relevante zu beschränken.

Aufgewachsen bin ich in einer ländlichen Gegend, wo sich mein Interesse für (Heil-)Pflanzen und später auch Pilze entwickelte.

Dazu kommt, dass meine Eltern recht viel gelesen haben und mich immer dazu ermutigten es Ihnen gleich zu tun. Deshalb habe ich mir in der Stadtbücherei nach und nach immer mehr Bücher ausgeliehen, die mein (ethno-)botanisches Interesse befriedigen konnten.

Die ersten Autoren, die mich damals prägten, waren Christian Rätsch und Wolf-Dieter Storl. Vormals stand für mich eher die biologische Seite der Pflanzen im Vordergrund. Nach und nach entwickelte sich dadurch auch ein Interesse für den kulturellen Gebrauch der heimischen Flora.

In Teenager-Jahren wurde YouTube irgendwann relevant und ich entdeckte viele der englischsprachigen Drogenforscher wieder, die ich zuvor nur aus Büchern kannte (z.B. Terence McKenna). Über diese Schiene lernte ich dann verschiedene „psychedelische Autoren“ kennen und entwickelte ein Interesse für veränderte Bewusstseinszustände.

Die Tatsache, dass wir unser Bewusstsein willentlich verändern können war für mich eine so profunde Erkenntnis, dass ich beschloss eine wissenschaftliche Karriere zu beginnen, um diese Zustände und ihr Anwendungspotenzial weiter zu erforschen.

Gleichzeitig erlebte ich zu Schulzeiten eher unangenehme Erfahrungen mit Drogen – und das nicht im Konsum, sondern in den folgen der repressiven Drogenpolitik. Es verging eigentlich kein Tag an dem nicht irgendwer auf dem Schulweg von der Polizei gefilzt wurde.   Man kann sich vorstellen, dass es eine eher unangenehme Erfahrung ist sich auf mehr oder weniger offener Straße vor der Polizei ausziehen zu müssen – während ein anderer Beamter die verschimmelten Pausenbrote aus dem Rucksack zieht.

Einige meiner ehemaligen Kollegen experimentierten zu dieser Zeit – wie für junge Menschen völlig normal – mit Cannabis. Ein Fund genügte den Beamten die Person mit aufs Revier zu nehmen und sie zu einer Urinprobe zu „überreden“ (damals wussten natürlich die wenigsten, dass sie das „freiwillig“ machten). Das böse Erwachen bedeutete dann für einige, dass der Führerscheinerwerb dadurch deutlich schwieriger ist – was die Suche nach einer Ausbildungsstelle auf dem Land nicht einfacher macht.

Diese gemischten Erfahrungen ließen bei mir den Wunsch wachsen nicht nur über die psychedelische Erfahrung zu forschen, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen von Drogenkonsum und Repression zu erforschen.

So fiel die Wahl meiner Studienfächer auf Soziologie, Psychologie und Geographie (mit Schwerpunkt auf Kartographie und Bio-Geo).

Im Rahmen meines Studiums beschäftigte ich mich dann mit verschiedenen Themen der sozialen Ungleichheit und den Folgen der Prohibition, aber auch mit Ethnografien verschiedener Subkulturen. Mein Interesse in Ethno-Pharmakologie und Mykologie verfolgte ich im Selbststudium weiter, beflügelte aber auch die Wahl meiner Forschungsfragen in den Gesellschaftswissenschaften.

Zum Thema Kratom kam ich, als ich auf der Suche nach einem Masterarbeitsthema war. Ich kannte die Substanz schon einige Jahre, nachdem ich sie in einem holländischen Smartshop entdeckt hatte. Mittlerweile schien es mir so als wenn Kratom mittlerweile im Begriff wäre sein Nischendasein zu verlassen.

In der Literaturrecherche für mein Exposé war ich ein bisschen überrascht, dass es so wenig zufriedenstellende Literatur über Kratom gab. Neben deinem Büchlein und einigen wenigen Artikeln in Fachbüchern (z.B. bei Alexander Ochse – Naturdrogen und ihr Gebrauch & Rätschs Enzyklopädie) gab es keine seriösen Informationen.

Da ich überzeugt von einer liberalen Drogenpolitik bin, finde ich es extrem wichtig, dass den Usern verlässliche Safer-Use-Informationen an die Hand gegeben werden. Nur wer über ausreichend Wissen verfügt, kann auch sinnvolle (Konsum-)Entscheidungen treffen.

Aus diesem Impuls verfasste ich eine Skizze für ein eventuelles Kratombuch. Gleichzeitig lernte ich zu dieser Zeit meinen Verleger (und heute guten Freund) Markus Berger kennen. Ich stellte ihm meine Ideen vor und er sagte quasi sofort: „du kannst loslegen“.

 

Wie gingst du bei der Recherche vor? Was waren dabei die größten Hürden?

Mit einem quasi abgeschlossenem Masterstudium als Basis ist Recherche (wie du ja auch weißt) eigentlich das „tägliche Geschäft“.  Die meisten naturwissenschaftlichen Informationen finden sich in den typischen Online-Katalogen der Universitäten. Einige der exotischeren Aufsätze lassen sich über die Fernleihe aus verschiedenen Bibliotheken bestellen.

Einen ganz besonderen Teil der Recherche (an den ich auch gerne zurück denke), verbrachte ich in Markus Bergers Privatbibliothek. Mit Laptop und Notizblock saß ich am Tisch und er wurde nicht müde mir alle relevante Drogenliteratur über Kratom zu geben. Ich habe noch nie in meinem Leben so schnell und so viel getippt wie in diesem Augenblick. Da kamen viele Informationen zusammen, die sonst eigentlich nicht auffindbar sind.

Größere Hürden sind natürlich Korrespondenzen mit Informanten. Da die meisten Experten sehr enge Zeitpläne haben, muss man schon Glück haben und beharrlich sein, wenn man Informationen von Ihnen möchte.

Aber genau diese Art der Recherche ist natürlich auch die spannendste. Ich habe mit einigen indonesischen Kratombauern und Verkäufern Kontakt aufgebaut, was mir schon sehr viel über die Abläufe der Produktion und des Anbaus beigebracht hat.

Langwierig, aber nicht minder erhellend, war die Korrespondenz mit dem Royal Pharmaceutical Society Museum, einem Forscher der Universität von Leiden (Niederlande) sowie mit dem Naturalis Biodiversity Center. So kam ich u.A. an die handschriftlichen Aufzeichnungen von Pieter Korthals – das sind Informationen die man sich nicht mal eben ergoogeln kann. Da bin ich meinen Informantinnen und Informanten auch zu großem Dank verpflichtet.

Glück hatte ich einerseits natürlich auch, dass mich die Communities von „Kratom.ink“, „Land der Träume“ und „/r/Kratom“ usw. mit so viel Informationen versorgt haben, andererseits habe ich natürlich auch viele Freunde, die in der Pharmakologie, Botanik und Biochemie tätig sind – die mir auch recht selbstlos Hilfe gaben.

Hast du eigentlich die ganzen Rezepte und Kombinationen in dem Buch auch selbst ausprobiert?

Kratomextrakt (CC BY-SA Dirk Netter)

Alle Rezepte habe ich natürlich ausprobiert, bevor ich sie aufgeschrieben habe – das einzige, was noch aussteht ist das „Kratom Tej“ – dieses Rezept habe ich freundlicherweise aus der „Dragibus“ bekommen.

(Anm. „Tej kommt aus der emherischen Sprache und wird ungefähr »Tedsch« ausgesprochen. Es handelt sich dabei um ein alkoholhaltiges Getränk auf Basis von Honig, dem hierzulande bekannten Met nicht unähnlich.“)

Tatsächlich bin ich sogar Hobbywinzer, kam aber aus Zeitgründen bisher noch nicht dazu es nachzubrauen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass ich dies in den Wintermonaten nachholen werde.

Die Kombinationen von Kratom mit anderen Substanzen habe ich (soweit legal) selbst getestet. Bei den anderen Kombinationen stütze ich mich aus Erfahrungen, die ich selber beobachtet und im Nachgang der Erfahrung mit den „Versuchspersonen“ aufgeschrieben habe. Es handelt sich also nicht um „Googlewissen“ sondern quasi-Wissenschaftliche Eigenergebnisse.

Du betonst in deinem Buch die sehr sympathische Position, dass Aufklärung und die Schaffung mündiger Menschen was den Konsum psychoaktiver Substanz angeht das Ziel sein sollten und dass du das paternalistische Diktat irgendwelcher Politiker und Prohibition ablehnst. Doch ist das mit der Aufklärung tatsächlich so einfach und reichen Bücher dafür aus? Wie müsste deiner Meinung nach eine vernünftige Drogenpolitik aussehen und was kann der Einzelne tun?

Die Frage ist, welche Vorstellung wir für die Gesellschaft haben. Ich denke, dass eine „drogenfreie Gesellschaft“ weder möglich noch wünschenswert ist. Meiner Ansicht nach ist es kein Problem, wenn meine Mitmenschen Wein, Kaffee oder Cannabis konsumieren, solange dies keinen Leidensdruck nach sich zieht.

Was ich mir jedoch vorstellen kann, ist eine Gesellschaft, in der mündige Erwachsene so sicher wie möglich alle Genussmittel ihrer Wahl nehmen können, oder zusätzliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen (Stichwort: Führerscheinentzug ohne sog. Trunkenheitsfahrt).

Wie deine Frage schon impliziert sind Bücher natürlich kein hinreichendes Mittel für eine solche wünschenswerte „Drogenkultur“. Das Ende der Prohibition wäre ein erster sinnvoller Schritt.

Letzten Freitag (8.11.2019) war die Konferenz des Schildower Kreises. Ich kann mich deren Manifest nur anschließen. Resümiert: Menschen werden immer Drogen konsumieren, mit dem Verbot dieser Substanzen gibt der Staat die Möglichkeit ab Qualitätskontrollen und einen vernünftigen Jugendschutz zu implementieren. Die Polizei ist heillos damit überfordert Drogenkonsumierende zu verfolgen – die ihrerseits im besten Fall Medizinische Hilfe benötigen, keine Strafverfolgung.

Als Einzelperson kann man sein Umfeld aufklären, dass eine Legalisierung das Mittel der Wahl ist – selbst, und insbesondere, dann wenn man gegen Drogen ist. Man kann Initiativen wie den Schildower Kreis, LEAP oder den DHV unterstüzten.

Wenn es um Parteipolitik geht, sind insbesondere einige der derzeitigen Oppositionsparteien die richtige Wahl. Aber auch wer das Kreuz bei den Konservativen macht, kann seine Abgeordneten ruhig mal anschreiben und nachfragen, auf welcher Datenbasis die Entkriminalisierung von Drogen abgelehnt wird (die Daten aus anderen Ländern, wie bpsw. Portugal, sind eindeutig: Legalisierung/Entkriminalisierung ist günstiger, rettet Leben und  schützt die Menschenwürde).

 

Du hast an der Universität Marburg die Hochschulgruppe für Interdisziplinäre Psychedelische Forschung (HIPF) gegründet. Kannst du erläutern, was das Ziel dieser Hochschulgruppe ist?

Die HIPF geht auf meine Initiative zurück, gegründet habe ich sie jedoch mit meinen beiden Kollegen Linus Naumann und Mirko Berger.

Unser Ziel ist es psychedelische Forschung und Kultur zu fördern. Dazu bringen wir Studierende (aber auch alle anderen Interessierten) aus sämtlichen Fachbereichen zusammen, um über diese Themen zu sprechen.

Dazu veranstalten wir vollwertige wöchentliche Uniseminare, Vortragsreihen, Filmvorführungen, Kräuterwanderungen, Kunstausstellungen usw.

Eines meiner Langzeitziele ist es ein Netzwerk aus Nachwuchswissenschaftler*innen aufzubauen, um auch im deutschsprachigen Raum signifikante Fortschritte in der Forschung machen zu können (derzeit sind bspw. Nordamerika und Israel sehr viel weiter als wir es sein könnten). Im gleichen Zug ist es mir natürlich wichtig die internationale psychedelische Forscherszene zu vernetzen – da wir noch viel unausgeschöpftes Potenzial haben (z.b. bei der Behandlung verschiedener psychischer Erkrankungen).

Gibt es schon Pläne, das Konzept der HIPF an andere Hochschulen zu exportieren?

Konkrete Ideen zum Export haben wir keine. Tatsächlich weiß ich aber von einer aktiven Gruppe in Mainz, die sich auch HIPF nennen. Wir stehen mit den Organisator*innen in Kontakt und freuen uns natürlich sehr über deren Engagement.

Ich bin ein Freund von „Bottom Up“ Initiativen. Also wenn sich von selbst Initiativen gründen, dann sind wir als HIPF Marburg sofort zur Stelle um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Üblicherweise sind solche Gruppen stabiler und ambitionierter, wenn sie intrinsisch motiviert sind. Diese Gruppen müssen sich dann auch nicht „HIPF“ nennen, wir freuen uns über jede Zusammenarbeit und wollen auch die Vielfältigkeit dieser Gruppen fördern.

Sofern es bereits Gruppen gibt, die noch nicht an die Öffentlichkeit getreten sind, würden wir uns natürlich über eine Kontaktaufnahme freuen: dirk@hipf-marburg.de bzw. kontakt@hipf-marburg.de

 

Im Kratomforum (Kratom.ink) wird zurzeit ja die Gründung eines Kratomverbandes diskutiert, wie er bereits in den USA mit der American Kratom Association existiert. Wir haben uns auch schon zu diesem Projekt ausgetauscht und ich habe auch in einem Artikel dazu aufgerufen, diese meiner Meinung nach sehr gute Idee zu unterstützen. Allerdings nimmt das zurzeit irgendwie nicht richtig Fahrt auf. Was wären deiner Ansicht nach die wichtigen nächsten Schritte und woran mangelt es zurzeit noch?

Aus persönlicher Erfahrung mit solchen Gruppen finde ich es sinnvoll zunächst einige Ziele zu formulieren, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. Dann geht es darum tatkräftige Personen zu finden und für die geeigneten Mittel (z.B. finanziell) zu sorgen.

Konkret würde das heißen eine Plattform zu entwerfen, um genügend Interessierte zu vernetzen (das ist ja gerade eher partiell durch Kratom.ink und Telegramgruppen gegeben). Und dann eine rechtliche Form zu finden (ich präferiere z.B. einen e.V.) um dann durch Spendengelder handlungsfähig zu werden.

Meiner Ansicht nach mangelt es erstens an konkreten Zielen, zweitens an Personen, die bereit sind unentgeltlich die Arbeit aufzunehmen.

Idealtypisch gibt es auf der einen Seite die User, denen daran gelegen ist sichere und erschwingliche Genussmittel erwerben zu können und auf der anderen Seite gibt es die Shops, die natürlich gerne weiter existieren würden. Beide verbindet natürlich der Wunsch, dass Kratom legal bleibt.

Das ist zum Beispiel eine Basis, auf der man arbeiten kann. Wie man das erreicht, da gibt es verschiedene Vorschläge. Die augenfälligsten:

1) Safer-Use promoten – je weniger Unfälle, desto weniger Handlungsbedarf von Seiten der Politik.

2) Werbung einschränken – wenn das Expertengremium der Bundesopiumstelle sich über Verbote berät, werden sowohl Unfälle als auch die Prävelanz der Werbung etc. in Betracht gezogen. So lange die Shops den Ball flach halten (z.B. mit Werbung in Fachzeitschriften, Facebook und Co.) sind wir da eher auf der sicheren Seite.

3) Saubere Produkte anbieten. Verunreinigungen des Produktes (wie bei Krypton; Kratom + O-Desmethyltramadol) sorgen für vermeidbare Unfälle. Genauso fände ich eine Laboruntersuchung auf Schadstoffe, wie es manche Kratomshops bereits anbieten, für absolut sinnvoll. Man darf nicht vergessen, dass ein Zusammenschluss aus Shops auch eine Macht auf die Erzeuger hat. Wenn der Verband sagt, dass „Bio-Kratom“ bevorzugt wird, dann wird die Chance auch größer dieses auch zu erschwinglichen Preisen zu beziehen.

4) Netzwerken mit anderen Anti-Prohibitionistischen Organisationen. Sollte es zu einem Verbot kommen, dann muss man ggf. die Mittel und das Wissen haben, wie man Rechtsmittel dagegen einlegen kann.

Wichtig ist es, dass sich auf der einen Seite genügend Spender finden, aber mindestens genauso wichtig: Aktive Personen, die sich Mitarbeit bei der trockenen Vereinsarbeit vorstellen können.

 

Wie schätzt du die aktuelle Situation um Kratom ein was weitere Forschungspotentiale, aber auch die Entwicklung der Konsummuster und der Bekanntheit angeht? Wird Kratom in zehn Jahren in aller Munde sein oder wird es als kurzzeitiger Trend wieder in der Versenkung oder der Illegalität verschwinden?

Ich denke, dass in der medizinischen Anwendung noch einiges an Potenzial liegt, insbesondere als Analgetikum haben sich Mitragynin und 7-Hydroxymitragynin bewährt. Vorstellbar ist auch eine gezielte Anwendung bei bestimmten Indikationen im Bereich von psychischen Leiden.

Wenn mit „Entwicklung der Konsummuster“ auf Gewöhnungs- bzw. Abhängigkeitspotenzial referiert wird, dann glaube ich nicht, dass dort noch weitere Überraschungen auf uns warten.

Insbesondere der Gebrauch von Kratom über längere Zeiträume und in hohen Dosen kann mit einer psychischen Abhängigkeit einhergehen, die körperliche Abhängigkeit ist noch Gegenstand der Forschung – aus anekdotischen Fallberichten weiß man von einer milden körperlichen Reaktion beim Absetzen, verglichen mit anderen Opioiden Substanzen (diese „milde“ Reaktion kann natürlich auch als extrem unangenehm empfunden werden und sollte nicht als harmlos missverstanden werden).

Wer Kratom nicht aus medizinischen Gründen einnimmt, sollte also darauf achten großzügige Konsumpausen einzulegen. Wie bei allen Substanzen (auch Alkohol) kann natürlich niemals dazu geraten werden täglich zu konsumieren.

Die öffentliche Bekanntheit von Kratom in zehn Jahren, ist eine gute Frage. Ich kann mir ein Szenario vorstellen, in dem Kratom so langsam wieder ein bisschen unbekannter wird und schließlich ein Nischendasein führt – vergleichbar zu anderen ethnobotanischen Genussmitteln.

Ein weniger schönes Szenario wäre ein Verbot von Kratom aufgrund von aufgebauschten Unfällen durch Mischkonsum. Dann würden wir auf ein Verbot hinsteuern – und bestimmte Kratomalternativen würden dann nach und nach den Platz von Kratom einnehmen.

Die derzeitige drogenpolitische Situation in Bezug auf Cannabis kann jedoch als Zeichen gewertet werden, dass wir auf liberalere Regelungen hinsteuern. Es liegt auch in der Sache der Community, wohin die Reise der Mitragyna speciosa führt. Wichtig ist, dass Betroffene über den Tellerrand schauen und sich für sinnvolle Drogenpolitik im Ganzen einsetzen und nicht nur „ihre“ Genussmittel verteidigen wollen. Veränderung geht in der Demokratie meist nur in der Gemeinschaft.

 

Mit „Kratom – Ethnobotanik, Anwendung, Kultur“ hast du meiner Meinung nach, ein sehr gutes und gesellschaftlich wertvolles Debüt vorgelegt. Hast du schon weitere Bücher oder ähnliche Projekte geplant, über die du uns schon etwas verraten kannst?

Creative Commons BY-SA Dirk Netter

Tatsächlich habe ich noch viel Material, das es nicht in das Buch geschafft hat. Außerdem gibt es bereits schon weitere Daten (insbesondere aus meiner eigenen Forschung zu Kratom), die ich gerne noch an die Gemeinschaft weitergeben würde.

Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass wir eine zweite, stark erweiterte Auflage des Kratombuches veröffentlichen werden.

Gleichzeitig gibt es im Bereich der pflanzlichen Opioide noch sehr viel Entdeckungen zu machen. In der Schweiz, wo mein Verlag ansässig ist, wurde Kratom verboten. Dort herrscht natürlich ein Interesse an Alternativen. Ich kann mir vorstellen in naher Zukunft ein Buch über diesen Pflanzenbereich zu schreiben.

Darüber hinaus warten gerade weitere spannende Projekte, wie z.B. ein geplanter Dokumentarfilm auf die Umsetzung. Wer sich für meine Arbeit interessiert, wird auf jeden Fall in den üblichen Kanälen auf dem Laufendem gehalten.

 

Vielen Dank Dirk Netter für deine ausführlichen Antworten, das Buch und dein Engagement. 🙂


Mehr zu Dirk und seiner Arbeit findet ihr unter den folgenden Seiten:

https://twitter.com/D_Netter   – Dirk Netter auf Twitter

https://www.mitragyna-speciosa.de – Die Seite zum Buch „Kratom: Ethnobotanik, Anwendung, Kultur“

https://lucys-magazin.com/ – Artikel von Dirk Netter in der „Lucy‘s Rausch“

https://www.hipf-marburg.de/ – Seite der HIPF Marburg

https://amzn.to/2CGdmLz – „Kratom: Ethnobotanik, Anwendung, Kultur“ bei Amazon kaufen


Wenn dir dieser Artikel weitergeholfen oder dich unterhalten hat, dann würde es mich freuen, wenn du mir einen Kaffee spendieren würdest, mit dem ich noch mehr solcher Artikel schreiben kann ?
Kaffee spendieren via Ko-Fi

  

Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner