28. April 2024
Interview

Von Virtuellen Realitäten und Anthologien – Herausgeber und Autor Christoph Grimm im Interview

Was ein Lektor oder ein Verleger macht, ist den meisten Lesern klar, aber bei der Frage nach der Funktion eines Herausgebers müssen viele erstmal nachdenken.  Herausgeber sind jedoch nicht nur für uns Autoren essentiell, insbesondere wenn es darum geht Anthologien mit ausgewählten Kurzgeschichten zusammenzustellen und zu veröffentlichen. Ich habe mir daher den sympathischen Christoph Grimm geschnappt, der in letzter Zeit dauernd als Herausgeber in sehr interessanten Ausschreibungen und in meinen Social Media Feeds auftaucht, und ihm ganz investigativ paar Fragen zu seiner Person und seiner Tätigkeit als Herausgeber gestellt.

Zuerst einmal: Bist du überhaupt Christoph Grimm? Auf deiner Webseite steht, dass du 1985 unter einem anderen Namen geboren wurdest, was wohl ein klarer Hinweis darauf sein soll, dass Christoph Grimm ein Pseudonym ist. Einige Geschichten sind ja auch unter dem Namen Christoph Kolb erschien. Ist das dein richtiger Name oder ein weiteres Pseudonym? Und falls ja, wie kam es zu diesem Pseudonym (oder zu der Namensänderung)?

Christoph Grimm und Christoph Kolb sind nur zwei von vielen Pseudonymen, mit denen ich versuche, einen Bestseller zu landen. Hat noch nicht funktioniert, aber sobald es mir glückt, schreibe ich nur noch unter einem Namen …

Es ist viel simpler: Ich wurde unter dem Namen Christoph Kolb geboren und habe meine ersten Geschichten auch unter diesem Namen veröffentlicht. Die Dame, die es seit nunmehr 13 Jahren mit mir aushält – warum, wissen nur die Götter –, habe ich im letzten Jahr geheiratet und ihren Namen angenommen. That‘s it. (Als ob ich mir diesen klangvollen Geschichtenerzähler-Nachnamen durch die Lappen gehen lassen wollte …)

Du bist einer der umtriebigsten Herausgeber im Bereich Phantastik, die ich kenne. Du arbeitest immer wieder mit verschiedenen Verlagen zusammen, wie dem Mystic Verlag, dem Eridanus Verlag und dem Sarturia Verlag. Wie bist du dazu gekommen und was motiviert dich dazu dich als Herausgeber zu engagieren?

Der umtriebige Herausgeber hat mittlerweile festgestellt, dass er ein bisschen zu umtriebig ist. Aktuell bereite ich vier Anthologien vor – und jongliere mit über 70 Geschichten von mehr als 50 Autor*innen herum. Das ist fordernd und im Nachhinein betrachtet, zu viel gleichzeitig für meine karge Freizeit. Es wird also (leider) länger dauern, jede einzelne davon zu realisieren, als ich anfangs dachte, denn ich möchte keine Abstriche in der Qualität machen. Danach lasse ich die Herausgeberei etwas ruhiger angehen. Wie es genau weitergeht, wenn diese vier Anthologien fertiggestellt sind, wird sich noch zeigen. Aber die Finger werde ich davon sicher nicht lassen können …

… was mich auch zur Motivation dafür bringt: Ich liebe Kurzgeschichten, ich liebe Anthologien. Viele Autoren, die zu meinen Lieblingen zählen – Stanislaw Lem, Ray Bradbury, Arthur C. Clarke, Stephen King,  Philipp K. Dick usw. – lernte ich durch Kurzgeschichtensammlungen kennen. Speziell die Zusammenstellungen von Wolfgang Jeschke haben es mir angetan. Auf meinem Nachttisch (der bisweilen auch ein Rucksack oder eine Fensterbank sein kann) liegt auch immer eine Anthologie herum. Ich lese einfach gerne zwischen (oder auch mal statt) Romanen Kurzgeschichten. Kurzgeschichten sind nicht nur „kurze Geschichten“ oder Mini-Romane – sie sind eine faszinierende Gattung der Literatur, welche ihren ganz eigenen Charme hat. Zudem eine tolle Möglichkeit, neue Autoren kennenzulernen. Als sich mir daher die Möglichkeit bot, selbst Anthologien zu betreuen, habe ich natürlich zugegriffen. 

Allzu viele Verlage sind es nicht, mit denen ich zusammenarbeite. Sarturia war ein Einstieg, doch es hat sich schnell gezeigt, dass die qualitativen Vorstellungen nicht zueinander passten. Dafür durfte ich in dieser Zeit viele nette Leute kennenlernen, von denen sich einige zzgl. meiner Wenigkeit Timo Arnolds Mystic Verlag anschlossen. Zum Eridanus Verlag und seiner Verlegerin Jana Hoffhenke kam ich über meinen Beitrag in der Anthologie „Alien Eroticon„. In beiden Verlagen wird Wert auf Qualität gelegt, Anthologien als Bereicherung des Programms angesehen und – nicht zu unterschätzen – macht die Arbeit Spaß.      

Was machst du als Herausgeber konkret und was unterscheidet dich von einem Verleger oder einem Lektor?

Im Kleinverlag-Sektor bündeln sich diese und andere Posten gerne mal in einer Person, aber ich bin tatsächlich „nur“ Herausgeber. Was genau ein Herausgeber alles macht ist von Verlag zu Verlag unterschiedlich – selbst bei mir und meinen zwei Lieblingsverlagen. Im Kern bin ich als Herausgeber so etwas wie ein Projektleiter. Ich konzipiere den Rahmen der Sammlung, bespreche mit den Verlegern die Details, platziere und bewerbe die Ausschreibung, verwalte die Einsendungen und treffe anschließend eine Auswahl. Danach folgen Lektorat und Korrektorat. Bei beidem wirke ich mit, teil aktiv, teils kontrollierend. Allerdings weiß ich um mein begrenztes Talent in diesen Tätigkeiten und setze auf wundervolle Menschen, die das weit besser können als ich. Je nach Verlag gestalte ich mit den publizierfähigen Texten im Anschluss Layout und Buchsatz, führe die Endkorrektur durch und erstelle die Druckdatei. Neben der konstanten Kommunikation mit allen Beteiligten gesellen sich noch einige kleinere Sonderaufgaben hinzu: Klappentext, Vorwort, Coverauswahl, Werbemittel festlegen etc. Wenn das Buch dann fertig ist, hört es natürlich nicht auf, denn dann kommt die ganze Bewerbungsmaschinerie: Blogger und Rezensenten gewinnen, Buchhandlungen überzeugen, Social Media Bewerbung, Lesungen etc. 

Wenn ich richtig gezählt habe, hast du bereits elf eigene Kurzgeschichten bei Verlagen untergebracht und mindestens drei weitere werden noch dieses Jahr auf den Markt kommen. Worum geht es in deinen Kurzgeschichten und hast du ein Ziel oder eine Botschaft, die du mit deinen Geschichten zu vermitteln versuchst?

Zunächst möchte ich mit meinen Geschichten unterhalten. Ja, wirklich. Feuilletonisten und Deutschlehrer rümpfen jetzt wahrscheinlich die Nase, aber kaum ein Mensch liest Fiktives, weil er belehrt werden möchte oder unbedingt Botschaften will. Am Wichtigsten ist mir, dass die Leserinnen und Leser während der Lektüre gut unterhalten werden und nicht das Gefühl bekommen, sie würden ihre Zeit verschwenden.

Dennoch möchte ich meinen Geschichten auch eine tiefere Ebene verleihen. Strukturelle Finessen, Sprache und Handlung ist einer Geschichte Körper – aber deren Kernthema ist Herz und Seele. Gerade Science-Fiction bietet sich an, einen gesellschaftlichen Blick in den Spiegel zu werfen. Ich will das aber nicht „Botschaft“ nennen, denn das hieße, ich würde den Lesern unterschwellig meine Meinung zu dem Thema aufdrängen wollen. Meine Charaktere geraten in Situationen, in denen sie Entscheidungen treffen und Positionen beziehen – und das ist es, was ich auch bei den Lesern erreichen möchte: Über das Thema nachzudenken, meinetwegen auch Position zu beziehen – aber nicht, ihnen etwas vorzukauen.

Was macht für dich eine gute Kurzgeschichte aus? Worauf achtest du als Herausgeber bei der Auswahl der Geschichten für deine Anthologien und was würdest du deinen Autorenkollegen raten, wenn sie gute Kurzgeschichten schreiben wollen?

Da kann ich schon fast auf die letzte Antwort verweisen. Natürlich gehe ich an eine Einsendung analytisch heran: Motiv, Aufbau, Verlauf, sprachliche Gestaltung – aber die Geschichte muss mich packen, fesseln und anschließend nachhallen. Ich neige sogar eher dazu, Geschichten mit ungewöhnlichen Ideen den Vorzug zu geben, selbst wenn die Texte handwerklich noch nicht ganz rund sind. Selbstverständlich nur, wenn vom Verfasser die Bereitschaft signalisiert wird, handwerkliche Schnitzer zu überarbeiten.

Die Zusammenstellung einer Anthologie ist eine subjektive Angelegenheit. Mir ist Abwechslung sehr wichtig. Ich möchte ein Thema wie „Virtuelle Realität„, „Künstliche Intelligenzen und Androiden“ oder „Gruselgeschichten für Jugendliche“ von allen Facetten beleuchtet sehen – gerne eben mit ungewöhnlichen Ideen, die man nicht schon zigmal gesehen und gelesen hat.

Bei Ratschlägen zum Schreiben bin ich etwas zurückhaltend. Zum einen lerne ich das Handwerk des Schreibens selbst noch und würde es auch nicht wagen, mich Lektor zu nennen, nur weil ich in bescheidenem Umfang „lektoriere“; zum anderen ist es stets auch ein Stück weit persönliche Meinung. Daher gebe ich den simplen Tipp, querbeet sehr viele Kurzgeschichten zu lesen und querbeet sehr viele davon zu schreiben. Ich empfehle einen Blick auf den Blog meines geschätzten Kollegen Sven Haupt, der ganz wundervolle Kurzgeschichten erschafft und als Lektor im MysticVerlag tätig ist. Ich glaube, von niemandem habe ich mehr gelernt, als von Sven – und netterweise darf ich ihn bis heute mit meinen Ergüssen quälen.  

Zurzeit schreibst du an deinem Debütroman. Kannst du uns schon etwas darüber verraten? Worum geht es?

Lass mich etwas vage bleiben. Die Grundidee wollte ich eigentlich für eine Kurzgeschichte für meine kürzlich herausgegebene Anthologie „Virtuelle Welten“ verwenden, doch zu meiner eigenen Überraschung entwickelte der Stoff eine Eigendynamik. Es spielt in einer nahen Zukunft, in welcher virtuelle Umgebungen nicht von der realen Welt zu unterscheiden sind, und die Menschheit komplett miteinander vernetzt ist. Welche Gefahren ergeben sich dadurch? Was machst du, wenn du nicht weißt, ob du alleine in deinem eigenen Kopf bist? Wohin gehst du, um sicher zu sein?

 

Vielen Dank Chris für deine Antworten! Ich bin sehr gespannt auf deine weiteren Projekte und den Debütroman 🙂


Mehr über Christoph Grimm und seine Projekte könnt ihr auf seiner Webseite erfahren: http://christophgrimm.com/

Seine Bücher findet ihr auf seiner Amazonseite: https://amzn.to/2MrEFAh

Auf Instagram könnt ihr ihm auch folgen: https://www.instagram.com/christoph.grimm.85/


Wenn dir dieser Artikel weitergeholfen oder dich unterhalten hat, dann würde es mich freuen, wenn du mir einen Kaffee spendieren würdest, mit dem ich noch mehr solcher Artikel schreiben kann ?
Kaffee spendieren via Ko-Fi

Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner