27. Juli 2024
AnkündigungenRomane

Metanoia – Kapitel 1 – Teaser

Vor einiger Zeit kündigte ich in meinem Newsletter an, dass ich seit dem Sommer 2021 an einem neuen Roman arbeite, dessen Arbeitstitel Metanoia lautet und der vor allem von Dark Academia inspiriert wurde. Die Arbeit kommt gut voran – auch wenn ich zwischenzeitlich diese pausierte, um im Zuge der aktiven Recherche relevante Lebens- und Berufserfahrung zu sammeln (dazu gehörte unter anderem eine Führung durch ein Theater und die verborgenen Bereiche hinter der Bühne). Ich bin sehr zuversichtlich, dass dieser Roman im kommenden Jahr 2022 einen Verlag und mit etwas Glück auch einen Platz in den Regalen der Buchhändler finden wird. Als kleinen Vorgeschmack freue ich mich hier schonmal als kleinen Teaser den aktuellen Entwurf für das erste Kapitel zu präsentieren.


Provisorischer Klapptext: Der junge Cassian hat fast alles, was ein ambitionierter 19-Jähriger sich nur wünschen kann. Exzellente Noten an einer renommierten Universität, einen Teilzeitjob bei einer prestigträchtigen Unternehmensberatung und vor allem eine vermögende Familie, die ihm ein sorgenfreies Leben im Luxus garantiert. Doch etwas fehlt und er kann nicht herausfinden, was es sein könnte. Die Gewissheit falsch zu leben verfolgt ihn wie ein dunkler Dämon und treibt ihn immer tiefer in Suizidfantasien – bis er eines Tages scheinbar zufällig einem sonderbaren Fremden begegnet, der ihm einen faustischen Pakt als Ausweg anbietet. Es beginnt eine Reise in eine romantische Parallelwelt, deren Weg bald die erste Leiche pflastert.


Kapitel 1: Wer bin ich?

Erkenne dich selbst! – Das soll die Antwort Apollons gewesen sein, als Chilon von Sparta, einer der Sieben Weisen des antiken Griechenlands den Gott der Künste danach fragte, was jeder Mensch lernen sollte. Genau das Gegenteil tat ich als frischgebackener, junger Mann. Während des ersten Jahrs an der Universität beschäftigte ich mich mit allen möglichen, was ich als vernünftig empfand, nur nicht mit mir selbst: Rechnungswesen, Unternehmenskennenzahlen, Aktienoptionen, etwas Organisationspsychologie und Marketing, ein paar Gasthörervorlesungen zu Informatik und Biotechnologie, und natürlich Karriereplanung. Ich selbst stand einfach nicht auf dem Lehrplan und irgendwelche Lebensweisheiten aus verstaubten Büchern interessierten mich erst recht nicht. Die Idee, dass ich damit nicht nur einem antiken Gott missfiel, sondern auch eventuell mir selbst schadete, kam mir gar erst. Aber eine dunkle Ahnung, dass etwas mit meinem Leben fundamental nicht stimmte, schlich sich langsam in mein Bewusstsein, fraß sich wie ein dunkler Schatten durch die Windung meines Gehirns. Die Ahnung festigte sich so spätestens in jener Sommernacht nach der letzten Klausur des zweiten Semesters zu einer unerträglichen, festen Gewissheit.
Der Kreis der Kommilitonen aus meinem Jahrgang, die ich damals als meine Freunde bezeichnete, war wie jedes Mal, wenn sich ein Vorwand ergab, zum Feiern durch die Stadt gezogen. Natürlich war ich mitgekommen. Besseres wusste ich zu dieser Zeit mit dem Leben und seinen Nächten noch nicht anzufangen.
Nachdem wir von Bar zu Bar gewandert waren, taumelnd, lachend, dampfend, fanden wir uns um Mitternacht an unseren Stammplatz ein: Versammelt um einen mit Eiswürfeln und Flaschen von Moët und Taittinger gefüllten Korb in einer Lounge unseres Stammclubs. Wir schossen uns Champagnerkorken um die Ohren, durch die von Laserstrahlen, Smartphonebilderschirmen und Zigarettenglut durchleuchtete, vom Bass der fernen Partymusik vibrierenden Dunkelheit. iPhones mit Memes über Protz und Prunk ging durch die unkoordinierten Hände, Uhren wurden vergleichen, bescheuerte Selfies geschossen und gepostet.
Mein Kommilitone Maximilian lockte bei einem Gang zur Bar mit Komplimenten, die er gern mit seiner Rolex gestikulierend unterstrich, zwei, drei entzückte und ebenso betrunkene Studentinnen in unsere Lounge.
„Sarah, Valetina und Alina … ah Nein?“, stellte er vor, von einem Bein aufs andere tänzelnd. Der Kaschmirpulli glitt von seiner Schulter, aber das bemerkte er gar nicht. „Also Anna. Ja, Anna, Anna, Anna“, er tippte der kleinen Brünetten, die verlegen zusammenzuckte, gleich mehrmals lallend und lachend auf das Schlüsselbein, und deutete auf unsere Runde, während er im Mundwinkel eine erloschene Zigarette zerkaute: „Das ischt Robin, angehender Partner bei McKitzelt-dich, hunderprotzendige Credibility. Ganz im Gegensatz zu unserem StartUp König Gustav. Fragt ihn nur nicht, was eine Blockchain ist, dann kommt ihr hier nicht mehr raus.“ Er lachte als einziger, während die Mädchen sich die Augenbrauen hochziehend einander ansahen. Robin warf Gustav einen warnenden Blick zu, da dieser den Mund öffnen wollte. Max fuhr unbeirrt fort: „Der Blonde da da drüben ist ein echter Prinz von Hessschen oder so, Linus heißt der Lustknabe, und … wo bei Florian Homms Privatjet steckt Karl schon wieder?“
„Der vegetiert in seinem Apartment herum, seitdem er die neue VR Anlage installiert hat“, sagte Linus, lässig an seiner E-Zigarette ziehend und mit den großen Lippen weiße Dampfringe in die Luft stoßend.
„Kompletter Süchtling“, meinte Gustav, gierig sein fünftes Glas Moët herunterspülend, während er wie zufällig noch ein paar Knöpfe seines weißen Leinenhemds öffnete. „War am Montag erst dort. Der duscht glaube ich nicht einmal mehr. Sitz nur noch von morgens bis abends in seinen Games.“
„Nun, kein großer Loss. Das bedeutet nur noch mehr Game für uns, meine Herren“, meinte Maximilian und deutet auf mich: „Und bevor ich ihn vergesse, Ladys, der gutaussehende, aber stille Klugscheißer da hinten in der Ecke. Das ist Cassian, aber der würde gerade am liebsten ein Buch lesen oder so. Ischt asexuell oder so ein Kram, also kümmert euch nicht.“
„Bin ich gar nicht“, protestierte ich, aber zu leise, denn niemand hörte zu. Die drei Mädchen bahnten sich ihren Weg um den Tisch mit den Champagnerflaschen und meine vier Kommilitonen gafften schamlos wie Affen, denen man Bananen vorführte. Ich nahm eine Flasche und schenkte mir ein. Ehe ich mich versah, hatte ich den prickelnden Schaumwein in einem Zug aus dem hohen, schmalen Glas in mich hineingekippt. Während ich mir ein Weiteres einschenkte, dachte ich benommen und mit grummelnden Magen, warum ich mir das eigentlich antat. Warum ich jedes Mal mit der gleichen Bande an oberflächlichen Idioten loszog und mein Geld für überteuerten Alkohol verbrannte, nur um? Was eigentlich? Meine Follower auf Instagram mit Bildern zu beeindrucken, die ich sowieso nie postete? Mir selbst zu vergewissern, dass ich meine Jugend auslebte? Damit ich später ausgeschmückte und nostalgisch verklärte Geschichten über nächtliche Abenteuer erzählen konnte?
Sehnsüchtig erinnerte ich mich daran, dass auf meinem Schreibtisch noch ein Roman von Donna Tarrt lag, den ich mit der pikanten Gefühlsmischung aus Lesefreude und dem schlechten Gewissen ein Stubenhocker zu sein, hätte lesen können.
„Kann ich mal probieren?“, fragte mich plötzlich eine weibliche Stimme und riß mich aus den melancholischen Gedankenschleifen. Ich wandte mich um und entdeckte, dass jenes schlanke Mädchen in einem funkelnden schwarzen Kleid, welches Max als Sarah vorgestellt hatte, zwischen mir und Gustav saß.
„Dein Kumpel da ist etwas abgedriftet“, erklärte sie und deutete augenrollend mit dem Daumen hinter sich. „Nüchtern ist der nicht zu ertragen.“
Ich sah rüber zu Gustav. Der gestikulierte und redete energisch mit der Luft, irgendetwas mit Ethereum und Tokens, Fiat Currencies und den Zentralbanken, die in allem drinsteckten. Er war ganz in den Kissen versunken und schien gar nicht zu merken, dass seine Gesprächspartnerin nicht mehr ihm zugewandt war. Vermutlich auch deswegen, weil er eine massiv große und massiv hässliche Balenciaga Sonnenbrille trug, die mit ihrer Breite fast als Skibrille durchgegangen wäre.
„Jaaaa“, sagte ich und reichte ihr mein frischgefülltes Glas. „Das kommt manchmal vor.“
Vorsichtig roch sie am Champagner, in dem die Bläschen wunderschön durch die roségoldene Flüssigkeit perlten. Sie sah mich mit ihren haselnussbraunen Augen an und ich nickte ihre zu. Sie nippte zaghaft, dann nahm sie einen großen, tiefen Schluck, sodass es sie sichtbar schüttelte. Sie kniff die Augen zusammen, dann kippte sie den Rest hinunter und stellte das leere Glas vor uns auf den Tisch.
„Ist das Rosé Champagner?“, fragte sie beiläufig.
„Wenn es der Taittinger war, dann ja. Wie ist er?“, fragte ich, während ich flüchtig den Abdruck ihres karminroten Lippenstifts auf dem Glas bewunderte.
„Er ist okay“, sagte sie und richtete ihren Blick auf mich, etwas auf der Loungecouch näherrückend. „Aber erzähl mal. Du liest gern? Meinte Maxi.“
Ich spürte, wie meine Ohren rot anliefen. „Aber ich bin trotzdem sehr gerne hier. Wir sind fast jede Woche in dieser Lounge“, stammelte ich. „Ich liebe es, was Neues zu erleben, neue Menschen kennenzulernen wie dich“, ich deutete mit der flachen Hand unwillkürlich auf ihre Brust und wäre ich nicht so betrunken, wäre ich wohl vor Scham umgekippt. „Wir studieren ja alle zusammen und das hier ist ja auch einfach ein verdammt … ja, angesagter Club, und …“
„Was liest du so?“, fragte Sarah, den Kopf sehr elegant auf ihre Hand aufgestützt und mich interessiert ansehend. Ich starrte sie so blass an, als hätte sie eine Schrotflinte unter mein Kinn platziert. Sie lächelte und fragte dann, mit einem deutlich ironischen Unterton, die Lippen spitzend: „Etwa den Finanzbuch Verlag?“
Ich lachte so laut los, dass sich wahrscheinlich der halbe Club nach mir umdrehte. Sehen konnte ich es nicht, denn dafür musste ich zu sehr die Augen zusammenkneifen.
„Nein, nein“, sagte ich, während ich mir das Lachen noch aus dem Gesicht wischte. „Den liest höchstens Gustav“ – Gustav, der aus seiner Vortragstrance erwacht war und sich wie eine aufgescheuchte Möwe mit ruckartigen Kopfbewegungen verwirrt umsah. „Ich lese Romane. Vor allem von den Verlagen Diogenes, Goldmann. Reclam für Zwischendurch. Penguin Classics für die englischen Originalwerke.“
„Tatsächlich? Ich habe erst vor kurzen Jane Austens Pride and Prejudice in der Penguin Ausgabe gelesen! Ich liebe deren Design.“
„Es ist großartig!“, rief ich überschwänglich vom Alkohol und der Freude, über Bücher reden zu können. „Ich habe zufälligerweise die gesammelten Werke von Jane Austen in der Pinguin Clothbound Classics Sammelbox meiner Schwester letztes Weihnachten geschenkt.“ Ich griff nach der silbernen Champagnerflasche und nahm direkt einen Schluck heraus, wonach ich ein verwegenes Grinsen aufsetzte. „Nachdem ich mich nicht davon abhalten konnte, sie selbst mindestens einmal durchzulesen. Es war zu verführerisch. Aber wie schreibt Jane selbst in Northranger Abbey? The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid.“ Ich schwankte trunken, während ich das Zitat mir auf der Zunge zergehen ließ, plötzlich mir ganz sicher, der coolste Typ im Raum zu sein, auch wenn die Nervosität mich von innen zerfraß. Ich versuchte sie mit einem weiteren Schluck aus der beinahe leeren Flasche hinfortzuspülen, wodurch aber alles nur in meinem Kopf zu schwanken und verschwimmen begann.
„Ich bin beeindruckt. Ein BWL Student, der was anderes als Sachbücher liest und noch dazu einen Sinn für Schönheit hat. Dass ich das erlebe“, sagte Sarah leicht süffisant.
„Die Ausnahme, die leider die Regel bestätigt. Was studierst du?“
„Oh ich? Ich studiere zurzeit nur das Leben. Nächstes Jahr ziehe ich aber nach Frankreich, um dort mich an einer Universität einzuschreiben. Ich weiß zwar noch nicht was, aber das finde ich noch raus.“
„BWL wird es schätze ich nicht mehr sein?“
„Oh, wer weiß. Anscheinend sind ja nicht alle BWLer so oberflächlich, wie ich dachte und die französischen Business Schools haben ihren Ruf.“
Ein Schauer wanderte die Nervenbündel in meinem Knochenmark hinab. Ich weiß nicht, wie geistreich meine Antwort ausfiel. Ich befürchte, ich machte tatsächlich ein schreckliches Wortspiel mit „tiefer gehen“ als schiefes Antonym zu „oberflächlich“ – aber an diesem Punkt, begannen die schnell getrunkenen Chamapgnermengen ihre volle Wirkung zu entfalten und die Erinnerungen fransen an dieser Stelle aus, wie ein altmodischer Zelluloidfilm, den man durch den Schredder gejagt hat. Um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht so genau wissen. Die folgenden Bilder der Nacht reichen … Irgendwann lagen Sarah und ich uns in den Armen, ich fuhr mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar, roch ihr süßes, aber eindeutig billiges Parfüm. Wir küssten uns … dann stolperten wir aus dem Club und über den Rasen des angrenzenden Parks zu den Taxis. Bevor ich mich versah, lagen wir noch angezogen auf dem Bett im Schlafzimmer meines Apartments, erleuchtet von den Designerlampen – und dort schwand der Rausch und der Film setzte wieder stockend und dann immer schneller ein. Mit ihm kam aus den Tiefen meiner Psyche der Ekel hochgesprudelt, vor dem was geschah.
Sarah knöpfte gerade verspielt mein Hemd auf, als ich zur Besinnung kam. Zuerst war ich verwirrt und tat nichts, aber dann drückte ich ihre Hände von mir weg und rollte mich von ihr, sodass ich neben ihr auf dem Rücken liegen blieb. Sie schob sich auf mich und wollte weiter machen, aber ich schüttelte den Kopf, wodurch die Welt in Schwung geraten sich drehte wie ein Karussell.
Sie lachte, hielt es wohl für einen Scherz, aber dann sagte ich laut: „Nein“, und betrunken wie ich war, warf ich sie energisch von mir. Sie lachte und sprang auf der Matratze herum, bis sie neben mir saß.
„Warum nicht?“
„Ich bin sehr katholisch erzogen worden“, murmelte ich. Das war zwar an sich irgendwo wahr, allerdings hatte ich mich schon in der Grundschule selbst zum Atheisten erklärt und aus steuerlichen Gründe noch während meiner Zeit im Internat die Kirche verlassen. Ihr jedoch die wahren Gründe zu erklären – dafür war ich zu erschöpft und ich bezweifelte, dass sie sie verstehen würde.
„Oh, ein ganz anständiger Katholik also“, schnurrte sie und ihre Hand tänzelte meine Hose hoch. „Also muss ich mich mit meiner sündigen Verführung einfach nur noch mehr ins Zeug legen? Ist das das, worauf du stehst?“
„Nein, lass es bitte“, sagte ich und schob ihre Hand wieder weg.
Sie sah mich fassungslos an. Ich starrte mit vor Scham glühenden Wangen und Ohren auf meine zusammengefalteten Hände.
„Bist du also doch asexuell, wie Maxi …“
„Nein, bin ich nicht und schwul bin ich auch nicht“, sagte ich und schüttelte den Kopf.
„Hast du eine Freundin?“
„Nein, nein, nein.“ Ich stand vom Bett auf und knüpfte wieder mein Hemd zu.
„Liegt es an mir? Habe ich … ?“, fragte sie verzweifelt und leichtes Schluchzen schwang in ihrer Stimme mit.
„Nein, es liegt nicht an dir. Es ist kompliziert“, sagte ich. In meinem Schädel ratterte es und ich wurde immer wacher. Ich drehte mich um, sah sie an, wie sie da in ihrem schwarzen Kleid saß, die dunklen Haare herrlich zerzaust; die in diesem Licht bernsteinernen, vor Trunkenheit und Tränen glänzenden Augen.
„Willst du etwas essen?“, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Ich muss was essen“, sagte ich und stolperte peinlich berührt aus meinem eigenen Schlafzimmer.
Ich durchquerte das Wohnzimmer mit seinem großen, alten Massivholztisch, mit den schwarzen und überquellenden Bücherregalen an den Wänden, seinem Balkon und dem kleinen Schreibtisch in der Ecke. In der Küche fand ich im Kühlschrank noch etwas Hafermilch und in einer Schublade unter der Hausbar eine Packung Kekse. Mit zwei Gläsern für die Milch ausgestattet, schlurfte ich wieder ins Schlafzimmer.
„Willst du nicht vielleicht doch …?“, fing ich an, aber da sah ich, dass Sarah sich an einem Kissen geklammert zusammengerollt hatte und nun leise aber gleichmäßig schnarchte. Ich seufzte und stellte die Sachen auf dem Parkett ab.
Ich küsste der Schlafenden auf die weiche Wange, flüsterte ein „Es tut mir leid“, und deckte sie zu, dann ging ich hinaus auf den Balkon.
Ich lehnte mich über die Brüstung und starrte hinab auf die Stadt, auf das Meer aus unheimlichen Leuchten von Fenstern wie von den Augen von Tiefseefischen, durchzogen von orange glühenden Asphaltadern. Mein Blick schweifte über die Villen, die Kirchtürme und den von alten Dächern deckten Horizont, an dem sich unter den verschwindenden Sternen langsam die Dämmerung abzeichnete.
Ich fühlte mich elendig. Ein düstere Leere klaffte in mir, egal wie viele Kekse ich zerkrümelte, egal wie sehr ich mich daran versucht zu erfreuen, dass ich nun tatsächlich eine Art Abenteuer erlebt hatte. Aber es half nichts, meine Gedanken schweiften ab und rasten in immer dunklere Tiefen.
Ich sah hinab auf die menschenleere Straße neun Stockwerke unter mir und dachte darüber nach, wie viel Schmerz ich noch erleben würde, sollte ich hinunterspringen. Aus der Höhe würden meine Beinknochen beim Aufprall sicherlich knackend zerspringen, die Wirbelsäule durchbrechen. Mein Schädel würde einen Sekundenbruchteil darauf folgend aufschlagen und mit einem feuchten Knacken aufplatzen, seinen Inhalt schwungvoll über Gehweg und Straße verteilend. Vielleicht würde etwas blutige Hirnmasse jemanden auf die Schuhe oder in die Felgen eines parkenden Autos spritzen und dort festkleben. Wahrscheinlich würde ich noch ein paar Sekunden als eine Art dreidimensionales verdrehtes Jackson Pollock Kunstwerk auf dem grauen Pflaster umherzucken, die herausploppenden Augen verdrehend, während das Neurotransmitterfeuerwerk der sterbenden Synapsen einige beeindruckende Halluzinationen beschwören würde. Dann würde der Vorhang fallen, die sonderbare Komödie, die das Leben ist, wäre an ihrem unvermeidbaren Ende angekommen. Alle meine Probleme, Schamgefühle und Fragen würden sich auflösen, zu den Problemen und Ängsten meiner Mitmenschen werden.
Ich spülte den letzten Keks mit einem Schluck Hafermilch herunter und seufzte.
Statt zu springen, sah ich auf meine Uhr. Es wurde bald sechs. Um neun musste ich im Büro bei meinem Werkstudentenjob sein. An Schlaf war nicht mehr zu denken, also ging ich zum Kleiderschrank, holte einen marineblauen Vistula Anzug und weiche Unterwäsche von emilio adani und ging ins Bad, um mich zu duschen. Während ich unter dem kalten Wasser stand und mir zitternd die Nacht aus den Augen wusch, hörte ich die Wohnungstür auf- und wieder zugehen.


Weitere Informationen dazu, wann und wo dieser Roman erscheinen wird, werde ich in den kommenden Monaten sobald wie möglich auf diesem Blog und in meinem Newsletter bekanntgeben. Bis dahin empfehle ich die Lektüre von paar altgriechischen Klassikern und meinen eigenen bisherigen Veröffentlichungen zur Einstimmung: https://amzn.to/3em3DNk


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Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

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