18. April 2024
Artikel

Legal Highs, RC´s und das deutsche NpSG

Der deutsche Bundestag hat am 22. September 2016 das NpSG (Neue psychoaktive Substanzen Gesetz), welches bereits 4. Mai 2016 beschloßen wurde, verabschiedet und der Bundesrat hat keinen Einspruch erhoben. Man kann also davon ausgehen, dass das NpSG in absehbarer Zeit in Kraft treten wird.  Doch was beinhaltet dieses NpSG?

(EDIT vom 27.11.2016: Das Gesetz trat am 26.11.2016 in Kraft)

(EDIT vom 02.05.2019: Das Gesetz wurde geupdated. Die Neuerungen werden vermutlich Mai/Juni 2019 in Kraft treten, womit der folgende Artikel nicht mehr aktuell ist, was die abgedeckten Substanzklassen angeht. Weitere Updates werden nicht mehr folgen.)

Das NpSG soll die sogenannten Legal Highs / Research Chemicals verbieten. Konkret sollen alle Substanzen der beiden folgenden Stoffgruppen verboten werden, außer sie stehen unter dem Arznei – oder Betäubungsmittelgesetz oder haben eine anerkannte Verwendung in der Industrie:

  • von 2-Phenylethylamin abgeleitete Verbindungen / Phenylethylamine
  • Cannabinoidmimetika / synthetische Cannabinoide

Doch was heißt das jetzt genau, was sind RC´s?

Bei den sogenannten „Legal Highs“ oder Badesalzen handelt es ich meistens um synthetische, leagle, da noch nicht vom Gesetz erfasste, Chemikalien, die die Wirkung verbotener Drogen imitieren. Es gibt zwar auch pflanzliche Legal Highs wie Kratom, LSA-haltige Windengewächssamen oder Blauer Lotus, allerdings spielen diese bei dem NpSG keine bedeutende Rolle. Dieses zielt auf die synthetischen Legal Highs, die häufig als Badesalze oder Forschungschemikalien, also Research Chemicals, verkauft werden.

Doch wo kommen diese Legal Highs überhaupt her?

In der Regel entdeckt ein Chemiestudent oder ein Untergrunddrogenkoch eine neue Verbindung, die einen ähnlichen Effekt hat, wie ein illegales Original. Dazu werden zum Beispiel einfach zusätzliche Atome zum Originalmolekül hinzugefügt und solange damit, meist an sich selbst, herumexperimentiert, bis der gewünschte Effekt einsetzt.  Eine weitere Quelle für viele RC´s sind die beiden Bücher PHIKAL und THIKAL des genialen Chemikers Alexander Shulgin, der im Alleingang über 300 synthetische Drogen entdeckte, an sich und seiner Frau ausprobierte und in den Büchern dokumentierte. Viele davon sind bis heute nicht vom Gesetz erfasst, lediglich die berühmtesten davon, wie die 2C-Familie, sind verboten worden.


Ein Beispiel für die Erschaffung von Legal Highs:

Lysergsäurediäthylamid (LSD) ist illegal in den USA und in Deutschland. Allerdings sind LSD-Analoge bzw. andere Mutterkornalkaloide nicht illegal. Bereits in den 70ern, kurz nach dem Verbot von LSD, kursiert daher das sogenannte „Orange-Sunshine-Acid“, bei dem es sich um Acetly-LSD handelt. Im Körper wird das Acetyl vom LSD durch Hydrolyse abgespalten, sodass der Konsument im Endeffekt echtes LSD konsumiert. Der Konsum von illegalen Drogen ist aber an sich nicht verboten (es widerspricht nämlich den Menschenrechten, einem Menschen zu verbieten, sich selbst zu „verletzen“, und zweitens will man nicht, dass Personen mit Überdosen oder Suchterkrankungen auf medizinische Hilfe verzichten, aus Angst vor Strafen). ALD-52, oder 1A-LSD, ist daher mehr oder weniger legal und ist es in Deutschland noch heute.

Doch in den USA, wo der Krieg gegen Drogen viel erbitterter geführt wird, war nach kurzer Zeit ALD-52 ebenfalls verboten. Erst 2015 kam der geistige legale Nachfolger auf den Markt, nämlich 1P-LSD, Propionyl-Lysergsäurediäthylamid. Dieses fungiert genauso wie ALD-52 als Prodrug und zerfällt im Körper zu LSD, ist aber an sich legal. 1P-LSD erfreut sich auch größerer Beliebtheit, als ALD-52, da es viel stabiler und einfacher herzustellen ist.

Zu LSD gibt es aber nicht nur diese beiden Legal High-Varianten. Weitere wären z.B.: ETH-LAD, LSZ, PRO-LAD oder AL-LAD, welches übrigens von Alexander Shulgin entdeckt wurde. Diese fungieren allerdings nicht als Prodrug, zerfallen also nicht im Körper zu LSD, sondern wirken von sich aus und teilweise etwas anders. ETH-LAD zum Beispiel ist stärker als das Original LSD, während PRO-LAD kürzer wirkt, als das Original. Dies sind aber auch nur sehr schwache Abweichungen, im Vergleich zu anderen RC´s. So gibt es synthetische Cannabinoide, die 300 mal stärker sind als ihr Vorbild THC und daher auch, im Gegensatz zu echtem Cannabis, tödlich wirken können. Das ist generell eine der großen Gefahren bei Legal Highs. Es gibt oft wenig Informationen über diese neuen Substanzen und der Konsument ist sozusagen das Versuchskaninchen für diese. Wenn etwas schief geht, wissen Notärzte häufig auch nicht, wie sie vorgehen sollen, da es keine erprobten Gegenmittel gibt, wie bei den klassischen illegalen Drogen.  Wobei selbst die klassischen, illegalen Drogen heutzutage oft mit RC´s gestreckt oder sogar durch diese ersetzt werden, da diese billig sind und dem Dealer weniger Ärger einbringen, als die illegalen Originale.


Da RC ´s meistens nicht illegal sind, dürfen sie meistens auch gehandelt werden. Es gibt spezielle Firmen mit Sitz in China, die auf Bestellung praktische jede Chemikalie herstellen und tonnenweise liefern können. Solche Firmen stellen die RC´s nach den Blaupausen der Erfinder für den amerikanischen und europäischen Markt her. Gehandelt werden sie dann in der Regel ganz normal im Internet. Eine kurze Google-Suche nach RC´s Shops liefert sofort tausende Ergebnisse. Die Shops zahlen sogar normal die Mehrwertsteuer, haben Auftritte in den sozialen Netzwerken und betreiben Werbung, schließlich tun sie nichts illegales, und manche von ihnen verlangen sogar einen Altersnachweis von den Käufern.

Eine Zeit lang versuchte man dagegen vorzugehen, indem man den Händlern den unqualifizierten Verkauf von Arzneimitteln unterstellte, allerdings urteilte der EuGH im Juli 2014, dass nicht als Betäubungsmittel eingestufte, zum Berauschen verwendete Stoffe nicht als Arzneimittel anzusehen sind. Daher kann das Herstellen und Inverkehrbringen von legalen Drogen nicht gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen.

Man versuchte auch diese neuen Drogen ins Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen, allerdings boomt der RC-Markt regelrecht und sobald eine Substanz verboten wird, kommt eine neue auf dem Markt. Jedes Jahr werden hunderte neue Substanzen entwickelt, aber das Verbotsverfahren braucht durch die Mühlen der Bürokratie selber Jahre. Es ist also ein hoffnungsloses Katz und Maus Spiel für die Behörden, wenn sie mit konventionellen Mitteln vorgehen.

Daher die NpS Gesetze, die ganze Substanzklassen verbieten. In den USA gibt es schon lange Gesetze, die Analoge von verbotenen Drogen ebenfalls verbieten. In Österreich wurde 2012 ein NpS Gesetz verabschiedet, welches den Handel mit Legal Highs mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Im UK wurde 2015 ein ähnliches Gesetz verabschiedet. Und nun zieht Deutschland nach, allerdings nicht so radikal und lückenhaft.

Und damit kommen wir zurück zu den beiden Substanzklassen:

  • von 2-Phenylethylamin abgeleitete Verbindungen / Phenylethylamine
  • Cannabinoidmimetika / synthetische Cannabinoide

Verboten sind nach dem NpSG lediglich Phenylethylamine und synthetische Cannabinoide. Das sind zwei sehr große Stoffklassen, die die meisten Legal Highs abdecken. Diese Verbindungen machen seit dem Jahr 2005 ungefähr zwei Drittel aller neuen Substanzen aus.


Phenylethylamine sind zum Beispiel Amphetamin- und Meskalin-Derivate, sowie alle Cathione. Aber auch im Körper und in der Natur spielen Phenylethylamine wie Dopamin, Adrenalin, L-Tyrosin oder Tyramin eine große Rolle.

 

Das ist die klassische Struktur von Phenylethylamin, der Stammsubstanz der Phenylethylamine. Substanzen, die diese Grundstruktur teilen, sind ab jetzt illegal. Doch was ist überhaupt die Grundstruktur eines Phenylethylamin?

Im Gesetz findet man dazu eine Grafik mitsamt einer mehrseitigen Erklärung. Hier wird die Struktur der Phenylethylamine in Strukturelement A und B aufgeteilt.

 

Wichtig ist hierbei, dass Strukturelement A und Strukturelement B laut dem Gesetz sehr viele Formen annehmen können, solange die Gesamtmolmasse weniger als 500u beträgt. Für Strukturelement A sind alle Phenyl-, Naphthyl-, Tetralinyl-, Methylendioxyphenyl-, Ethylendioxyphenyl-, Furyl-, Pyrrolyl-, Imidazolyl-, Thienyl-, Pyridyl-, Benzofuranyl-, Dihydrobenzofuranyl-, Indanyl-, Indenyl-, Tetrahydrobenzodifuranyl-, Benzodifuranyl-, Tetrahydro-benzodipyranyl-, Cyclopentyl- und Cyclohexyl-Strukturen vom Gesetz erfasst. Ein visueller Überblick all dieser Verbindungen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Der interessierte Leser findet ihn aber auf Seite 7 und 8 des NpSG. Bei Strukturelement B hingegen wird die Situation unübersichtlicher, erfasst aber mehr oder weniger alle möglichen Seitenkettenstrukturen.


Bei den Cannabinoiden bzw. den Cannabinoidmimentika, wird die Situation im Gegensatz zu den Phenyethylamine aber noch um ein mehrfaches unübersichtlicher, da es viele verschiedene Typen von Cannabinoiden gibt. Pauschal lässt sich sagen, dass alle Substanzen, die strukturbedingt an den Endocannabinoidrezeptoren binden können, ab jetzt verboten sind.

Einen groben Überblick über zumindest die häufigsten acht der möglichen Cannabinoid-Grundstrukturen findet man im englischen Wikipedia-Artikel über Cannabinoide.

Hier kommt man nicht drumherum, den Gesetzgeber zu kritisieren. Das NpSG ist sehr unübersichtlich und normale Menschen, die keine ausreichenden Kenntnisse über Chemie und Pharmakologie besitzen, haben es schwer nachzuvollziehen, welche Substanzen nun illegal sind und welche nicht. Da viele Händler ihren Sitzen im Ausland haben, können sie ihre Waren weiterhin unbehelligt nach Deutschland verschicken. Das Problem um die Legalität hat dann im Endeffekt der Verbraucher.

Nicht von diesem Gesetz betroffen sind des Weiteren die meisten Tryptamine und Lysergamide (z.B.: das oben genannte 1p-LSD), Benzodiazepine (z.B.: Flubromazolam), die meisten Opioide und auch einige Kokainimitate. Auch wurde mit diesem Gesetz nichts gegen den viel weiterverbreiteten Medikamentenmissbrauch unternommen, der Millionen Deutsche betrifft, sondern nur etwas gegen die legalen Drogen, die eh nur von einer kleinen Randgruppe konsumiert werden. Und es ist vorraussehbar, dass die RC-Desginer und Drogenköche auch Methoden finden werden Drogen zu kreieren, die nicht zu den verbotenen und koventionellen Substanzklassen gehören, aber genauso wirksam sind. Das Katz und Maus Spiel geht weiter und man kommt nicht drumherum das Gefühl zu haben, dass die Regierung nur Symbolpolitik betreiben würde.

Beitragsbild:

Von DMTrott – Own work. Originally published in The Honest Drug Book [ISBN: 978-0995593602]., CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72042087

Quellen:

http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP18/740/74010.html (Stand: 06.11.2016)

http://www1.bgbl.de/ (Stand: 29.11.2016)

PHIKAL und THIKAL

Psychedelische Chemie

 

Hier geht es zu einem Artikel über Kratom – Ein Wundermittel aus Südostasien?


—Haftungsausschluss: Stand der Informationen vom 1.11.2016. Trotz sorgfältiger Recherche kann der Autor nicht für Richtigkeit der in diesem Text präsentierten Informationen bürgen. Der Autor haftet nicht für mögliche Schäden, die durch die Verwendung der Informationen entstehen können. Dieser Text dient der Aufklärung und soll nicht zum Drogenkonsum animieren. Dieser Text fungiert nicht als Rechtsberatung. Bei rechtlichen Fragen, wenden Sie sich an ihre lokalen Behörden. Bei gesundheitlichen Fragen, wenden Sie sich an ihren Arzt oder Apotheker. Nehmen Sie Medikamente und Drogen nur mit Absprache mit ihrem Arzt. Dieser Text wurde von einem Laien verfasst und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit—


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Nikodem

Nikodem Skrobisz, auch unter seinem Pseudonym Leveret Pale bekannt, wurde am 26.02.1999 in München geboren. Er ist als nebenbei als Schriftsteller tätig und hat bereits mehrere Romane und Kurzgeschichten publiziert, die meist philosophische und gesellschaftliche Themen behandeln. Er studierte Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Philosophie sowie Sprachen und Literatur. Aktuell studiert er im Master Philosophie. Halbprivate Einblicke gibt es auf Instagram

5 Gedanken zu „Legal Highs, RC´s und das deutsche NpSG

  • Du schreibst „Nicht von diesem Gesetz betroffen sind des Weiteren die meisten Tryptamine und Lysergamide“. Gibt es denn Lysergamide oder Tryptamine die betroffen sind?

    Antwort
    • Aktuell: Nein, gibt es meines Wissens nach nicht.
      Es gab aber früher in der Pharmakologie Debatten darüber, ob Lysergamide (bzw. LSD) Tryptamine oder Phenyethylamine sind, weil sie in ihrer Struktur die Struktur beider Substanzklassen beinhalten. Man hat sich mittlerweile darauf geeinigt, dass sie eher den Tryptaminen zuzuordnen sind bzw. sogar schon eine eigene Substanzklasse, die der Lysergamide/Ergoline, bilden. Man könnte allerdings auch sagen, dass LSD/1p-LSD/ALD-52 ein sehr komplexes Tryptamin und ein sehr komplexes Phenylethylamin gleichzeitig ist. Es ist aber in dem Fall ein so komplexes Penylethylamin, dass es vom Gesetz momentan nicht mehr erfasst wird.
      Momentan gibt es keine mir bekannten Lysergamide oder Tryptamine, die unter das Gesetz fallen. Allerdings könnte es theoretisch mir unbekannte Lysergamide oder ähnliche Moleküle geben, die theoretisch doch unter das Gesetz fallen könnten, hier würde aber auch viel davon abhängen, wie man (bzw. der zuständige Richter) das Gesetz auslegt und wie weit man die Definitionen im Gesetz für Phenyethylamine ausdehnt.
      Bisher ist das aber reine Theorie, die möglicherweise niemals in der Praxis auftauchen wird, und ich habe das „meisten“ eher prophylaktisch geschrieben und mich rechtlich abzusichern, falls es doch irgendwo mir ein unbekanntes Moleküle geben könnte, dass diese Kriterien erfüllt.
      Die zurzeit existierenden, legalen DMT, Psilocin und LSD Analoga fallen aber definitiv nicht unter das NpSG, das wären zum Beispiel: 1p-LSD, 4-AcO-MET, 4-AcO-DET, 4-HO-MiPT, MiPT und Trypton.
      Alle Angaben wie immer ohne Gewähr.

      Antwort
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